Kölner Luden – Stefan Keller |
Ein Mann sucht seinen Vater. Als Säugling wurde er vor einem Kölner Krankenhaus, in der Nähe der Straße „Unter Krahnenbäumen“, ausgesetzt. Alles was er Privatdetektiv Marius Sandmann in die Hand drückt ist ein Fotoband des bekannten Fotografen Chargesheimer, welches den Namen ebenjener Straße trägt. Diese Straße war einst berüchtigt für ihre Bewohner, welche überwiegend dem „Miljö“ angehörten. Der Mann behauptet, dass einer der abgebildeten Männer sein Vater sein soll. Marius stellt eine gewisse Ähnlichkeit fest und begibt sich auf Erkundungstour ins Kunibertsviertel. Er findet einen abweisenden alten Herrn, welcher wohl Informationen hat, sie aber nicht herausgeben möchte. Marius folgt dem Mann um doch noch Hinweise von ihm zu bekommen, dieser öffnet ihm jedoch nicht die Tür. Kurze Zeit später wird der alte Mann tot aufgefunden. Raubmord heißt es seitens der Polizei. Marius scheint in ein Wespennest gestochen zu haben, denn plötzlich tauchen Gestalten aus der alten Unterwelt auf und machen ihm die Hölle heiß. Und auch die Polizei, welche eine angebliche Täterbeschreibung hat, wird auf Marius aufmerksam.
Das Buchcover präsentiert die Leuchtreklame der mittlerweile geschlossenen „Bar Menouche“, welche Tür an Tür zum „Grön Eck“ liegt, einer der bekanntesten Miljö-Kneipen des Nachkriegs Köln. Ortskundige Leser wissen schnell in welche Richtung der Krimi geht, für alle anderen weist der Titel „Kölner Luden“ die Richtung.
Alles beginnt im Jahre 1957. Es ist Karneval und in den Kneipen ist die Stimmung ausgelassen. Der Krieg ist vorbei, die Stadt befindet sich im Aufbau, jeder versucht seine Nische im großen Ganzen zu finden. Der Leser wird Zeuge eines Diebstahls und erhält einen ersten Einblick in die Welt von „Unter Krahnenbäumen“.
Wechsel in das Köln der Gegenwart. Vinzenz Dietrich bittet Privatdetektiv Marius Sandmann um Hilfe bei der Suche nach seinem Vater. Kein Wort über die Mutter, die ihn 30 Jahre zuvor an der Türe eines Krankenhauses ausgesetzt hat. Marius Sandmann beginnt seine Ermittlungen und kommt mit den alten Recken des Kunibertsviertels in Kontakt. Nicht ungefährlich, wie er schnell feststellt und auch sehr undurchsichtig. Über Umwege erhält er neue Hinweise und gerät immer tiefer in die bis dato eher schlummernde Welt der UKB-Bande und der alten Ringszene.
Man sieht sie heute noch. Selten. Vereinzelt. Die Kölner Rotlichtgrößen von damals. Sie sind alt geworden. Viele verarmt. Leben in Gedanken an ihre glorreiche Vergangenheit. Die wenigsten von ihnen haben den Absprung von ihrem einstigen Leben geschafft. Was aber meist blieb, ist die Verbundenheit zu ihrem alten Viertel, obwohl sich dort auch vieles in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Nur noch selten sieht man einen Sexshop. Die Friesenstraße, ehemals DAS Rotlichtviertel Kölns ist heute eine beliebte Ausgehmeile, inklusive des „Klein Köln“, einer Kneipe in der früher die Damen ebenso schnell den Herrn wechselten, wie die Geldbündel. Heut trifft sich hier Gott und die Welt, um sich bei Schlagern und Karnevalsliedern und jeder Menge Kölsch in den Armen zu liegen und zu feiern. Lediglich das „Grön Eck“, hat seinen Ruf behalten und so manch ein Anwohner der Palmstraße und Umgebung ist mit der Nachbarschaft mehr als unzufrieden. Gab es doch hier erst in den letzten Jahren Vorkommnisse unter Mitgliedern bekannter Rockergangs und der Polizei.
Da hat sich einer ganz lange und intensiv mit der Materie des Miljös beschäftigt. Fast scheint es, als könne man in Stefan Kellers Kölner Luden alte Bekannte aus der Szene erahnen. Ist alles Fiktion oder erkennt der wissende Kölner nicht hier und da den ein oder anderen? Weder karikiert noch überzeichnet Keller seine Figuren. Sie wirken real, so als hätte man sie vorhin noch auf der Straße getroffen. Das und auch, dass sein Ermittler Sandmann mehr als nur ein blaues Auge davon trägt und selber als Mordverdächtiger gilt, geben dem Krimi sehr viel Lebendigkeit und Schwung. Als Leser lässt man sich in die Geschichte verwickeln, leidet und rätselt mit.
Eine Kritik fällt mir nicht ein. Die Kunst die Fiktion real wirken zu lassen, ohne dabei ins Absurde zu gleiten ist meiner Meinung nach Stefan Keller wunderbar gelungen. Erst vor kurzem war ich selber im „Grön Eck“ und postete dieses in meinem Internet Netzwerk. Ein Kommentar war: „Da hab ich früher immer nur auf die Fresse bekommen“. Vielleicht liegt es daran, dass ich eine Frau bin, aber ich brauchte an dem Abend keines meiner Biere zu zahlen.
Leseempfehlung? Ich kann keine Einschränkung erteilen. Daumen hoch.
Für wen? Für Jedermann und für jeden Kölner, der sich noch an die alte Ringszene erinnert fast ein Muss.
Kölner Luden – Stefan Keller
Krimi
Erschienen: Februar 2013 im Gmeiner Verlag
Taschenbuch
273 Seiten
12 x 20 cm
ISBN: 9783839213780