Rezi „Eifelteufel“ – Rudolf Jagusch

Eifelteufel – Rudolf Jagusch
Der Eifel-Däniken Herbert Zingsheim traut seinen Augen nicht. Unerklärliche Dinge geschehen an der Urftsee-Staumauer. Ein dunkles Objekt zieht Kreise über den See, das Seewasser färbt sich orange und etwas bricht durch die Wasseroberfläche. UFOs? Ein Terroranschlag? Natürlich will niemand außer ihm selber etwas gesehen haben und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich an seinen alten Freund Hauptkommissar Hotte Fischbach zu wenden. Auch dieser scheint zunächst nichts von den Schilderungen Zingsheims zu halten, schaltet aber einen ehemaligen Kollegen ein, der sich im Urftsee umschaut und ein gesunkenes U-Boot, nebst einer Leiche entdeckt. Fischbach und Kollege Welscher nehmen die Ermittlungen auf und werden bald schon mit einer weiteren Leiche konfrontiert, deren Tod ebenfalls mit Wasser zu tun hat. Läuft in der Eifel ein Serientäter umher?

Nein, es ist nicht Hotte Fischbach auf seiner Harley, der da auf dem Buchcover eine herbstliche Straße entlanggefahren kommt. Hier handelt es sich um eine sportlichere Maschine, auf der man eher „wie der Teufel“ über die Straßen brettern kann. Oder ist mit „Teufel“ eher die perfide Art gemeint, mit der der Täter seine Opfer ins Jenseits befördert?

Was braucht es für einen guten Eifelkrimi? Richtig, ein U-Boot, Schlager, Randgruppen, Frühlingsgefühle und eine Kommune. Wer jetzt glaubt, das könnte im Leben nicht miteinander verbunden werden, der täuscht sich gewaltig. Der Beweis liegt vor. Fischbach und Welscher ermitteln in ihrem dritten gemeinsamen Fall, der ihnen und auch ihren Angehörigen wieder einmal alles abverlangt. Sigrid, Fischbachs Frau, versorgt mit Liebe die hungrigen Kollegen und auch Welschers Familie rückt dieses Mal mehr in den Vordergrund. Insgesamt geht Rudolf Jagusch in seinem Roman mehr auf die einzelnen Persönlichkeiten ein, erklärt mehr Hintergründe und lässt den Leser somit noch näher an seine Darsteller heran. Das hat zur Folge, dass die sonst immer währende Heiterkeit ein wenig in den Hintergrund gerät, die Geschichte dadurch aber, trotz ihres zunächst abstrusen Daherkommens, immer glaubhafter wird und den Leser gefangen nimmt. Es ist nicht so, dass Rudolf Jagusch bisher unrealistisch geschrieben hätte, aber der Eifelteufelkommt erwachsener daher und spitzt sich am Schluss nicht nur im knackigen Showdown zu, sondern lässt den Leser ein wenig nachdenklich zurück.

Das der Humor nicht auf der Strecke bleibt ist bei Rudolf Jagusch völlig klar. Und so hat er auch dieses Mal wieder eine Hotte-Klo-Szene eingebaut, wenn auch mit einem völlig unerwarteten Handlungsablauf, bei dem der Kommissar noch mehr ins Schwitzen gerät, als in den vorherigen Krimis. Und manchmal müssen sich auch Fischbach und Welscher in die Haare geraten:

Verlegen kratze sich Fischbach am Nacken. „Ein bisschen leiser, Jan.“ „Schämst du dich etwa für deinen schwulen Kollegen?“ Böse funkelte Welscher ihn an. „Ach, was. Warum sollte ich? Ich habe das vollste Verständnis, das weißt du doch. Ich gehöre schließlich selbst zu einer Randgruppe.“ Welscher stutzte. „Hä?“ „Na ja, Rocker halt.“ 

Ohne Frage ist Rudolf Jagusch hier wieder ein schöner Krimi gelungen, dessen Fortsetzung erwartet werden darf. Daumen hoch.

Leseempfehlung? Eifelkrimi – immer.

Für wen? Jedermann. 

Eifelteufel – Rudolf Jagusch

Eifelkrimi

Broschiert

Erschienen im 29. August 2013 im Emons Verlag
302 Seiten

13,5 x 20,5 cm

ISBN: 978-3954511556

Lovelybooks – Wahl der besten Bücher 2013

Nur noch wenige Tage und Lovelybooks vergibt wieder den Preis für die Besten Bücher 2013.
In den verschiedensten Kategorien konnten die Leser ihre Favoriten nominieren.
Einige, der hier auf der WolffsBeute vorgestellten Bücher sind selbstverständlich auch mit dabei und warten darauf Eure Stimme zu erhalten.
Ich habe meine Wahl getroffen – jetzt seid Ihr dran. Viel Spaß!

Also los …

Leserunde „Das Vermächtnis der Piratin“ – Anne Breckenridge


Heute möchte ich Euch auf eine Leserunde bei Lovelybooks hinweisen. 
Anne Breckenridge stellt hier ihren Roman Das Vermächtnis der Piratin vor.

Selbstverständlich erhalten alle Teilnehmer das Rezensionsexemplar frei Haus. Alle weiteren Infos erhaltet ihr hier:

Oder werdet Superfan:
Ich wünsche Euch viel Spaß …

Premierenlesung „Kraut & Rübchen“

 

Buchpremiere Nr. 5 von Elke Pistor in der Buchhandlung Falderstraße in Köln-Sürth. In gemütlicher Runde stellte die fleissige Autorin ihren neuen Landkrimi Kraut & Rübchen vor.

Mit viel Charm und Humor führte Elke Pistor die Zuhörer nicht nur an ihre Hauptdarstellerin Katharina Rübchen, sondern auch an die Wirkungsweise der heimischen Giftpflanzen heran.
 

 
Diese wachsen nicht nur im Verborgenen, sondern am Wegesrand oder auch im heimischen Garten. Nebenbei holte die Schriftstellerin immer wieder Grünzeug aus einem Handtuch und versenkte dieses in einer bereitgestellten Teekanne.

Ein leises Gemurmel machte sich breit, als sie betonte, dass es zum Abschluss der Lesung noch einen bekömmlichen selbstgebrühten Tee gäbe.

 
Ein Schurke der Böses dabei denkt. Wohl um die Zuhörer zu besänftigen, gab es zum Selbstversuch einen sehr interessanten selbstaufgesetzten Likör, der in Kapitel 8 einen entscheidenen Auftritt hat.

Viel zu schnell ging die Zeit vorbei und Elke Pistor durfte die von der Buchhandlungsinhaberin Nadine Sander überreichten

 Blumen in Empfang nehmen und erfüllte sichtlich zufrieden die Signierwünsche der zahlreich erschinenen Leser.


Meike Vegelahn-Leeser

Premierengäste:

Bettina und Andreas Pottkämper

Guido Breuer und Elke Pistor
Susanne Jagusch

Rudi Jagusch

Video:

 

Leseprobe „Gleichenfeier“ – Christian Klinger

Montag, 20. August

in der diesigen Stimmung des Spätsommertags verließ ein
PKW die befestigte Straße und bog in eine geschotterte einfahrt
ein. eine Mischung aus Dunst und Staub lag in der luft.
Sie ließ die halbfertigen Bauten, die sich im hintergrund in
den blassen himmel streckten, schemenhaft aussehen.

„Wie viele Worte kennst du für das männliche Glied?“

Der Wagen rollte durch das Tor im Bauzaun. langsam
schaukelte das Gefährt über den unebenen Boden seinem Ziel
entgegen, einem Baucontainer am Fuße des künstlichen Gebirges
aus Stahl und Beton gelegen.

„ich versteh nicht, was meinst du?“

Felder schaltete einen Gang zurück und bugsierte den Wagen
durch eine tiefe rinne auf dem holprigen Weg.

„na, welche Umschreibungen du noch dafür kennst.“

Zunächst ein irritierter Blick vom Fahrersitz aus, dann
aber sprudelte es amüsiert aus Felder heraus: „na gut. Also
Schwanz, nudel, Pimmel, Schniedel, Zumpf, Bimpfi, Zipfel,
Spatzi, Gurkerl, lustspeer, Samenschleuder und last but not
least, Penis. Da gibt’s sicher noch viele andere, aber worauf
willst du hinaus ?“

„Wunderbar, den Phallus hast zum Beispiel vergessen. Jetzt
nenn mir verschiedene Umschreibungen für das hirn.“

„ich hab’s noch immer nicht, was das soll, aber gut. Also
hirn …“, er dachte nach. „Denkzentrum vielleicht.“

„ist mir nicht als gebräuchlich geläufig.“

„Moment, ich hab’s: hirnkastl.“

„Gilt nicht, weil da steckt das Wort ‚hirn‘ drinnen, das
ist also eine Umschreibung für den Schädel, weil der ist das
Kastl, in dem das hirn steckt. Worauf ich hinauswollte, ist,

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und das ist mir mit dir gut gelungen, zu belegen, dass wir uns
in einer Gesellschaft befinden, die unzählige Synonyme für
den Schwanz hat, aber keine für das hirn. Wir verrohen zusehends,
keiner hält sich an Vorschriften, niemand denkt mehr.
Wir kämpfen auch auf verlorenem Posten, weil die Politiker
lieber auf Spesen ins Puff gehen, als sich vernünftige Gesetze
auszudenken.“

Felder runzelte die Stirn. „ist das dein Wort zum Montag
oder bist du im Moment sexuell unausgelastet ?“

rosicky richtete den Blick kopfschüttelnd wieder nach
vorne und strafte das Armaturenbrett mit seinem Blick.
„Wurscht, vergiss es.“

Plötzlich starrte rosicky ins leere. er ließ die Schultern
hängen und es schien, als fixiere er einen Punkt im nirwana.
„Du willst mich auch nicht verstehen“, sagte er nachdenklich zu
sich, „ich hab nur gemeint, dass man da was machen sollte …“

Felder stoppte das Auto vor dem im container untergebrachten
Baubüro, ehe sein Kollege den Gedanken zu ende
führen konnte, drehte sich abermals zu seinem Begleiter und
sagte : „Also, gehen wir’s an.“

rosicky nickte kurz vom Beifahrersitz.

„Willst von mir noch die anderen Wörter für die eier wissen?“
Felder grinste, doch rosicky schien die stichelige Frage
überhört zu haben.

Die beiden Männer stiegen aus, schlüpften in die Signalwesten
ihres Arbeitgebers, die sie als Amtspersonen auswiesen,
anschließend kam der vorgeschriebene Schutzhelm. ein
routineeinsatz für niklas Felder und seinen Kollegen. Felder
war der chef der einsatzgruppe gegen Sozialbetrug. er trug
trotz des auf Baustellen vorherrschenden Schmutzes meist einen
dunklen Anzug. So auch heute. Sein Kollege, Paul rosicky,
ein enddreißiger von kleiner, aber kräftiger Statur, sah die
vom Arbeitgeber ausgegebene Bekleidungsempfehlung prag

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matischer: er steckte in Jeans und Poloshirt. Unter der Jacke
war es ohnehin mehr oder weniger egal, was man anhatte.

Felder zeichnete sich durch eine ihm eigene Freundlichkeit
aus, die ihn letztlich seinem Ziel näherbrachte. Bestimmt und
unbeirrbar, wenn auch über Umwege. rosicky war da viel direkter,
fordernder, doch seine schroffe Art baute oft Widerstände
auf. Daher war Felder der Vorgesetzte und rosicky der
Befehlsempfänger, auch wenn Felder ihn niemals von oben
herab behandelte.

So trafen die beiden unterschiedlichen Männer ein. ihre
stärkste Gemeinsamkeit bestand in der ihnen übertragenen
Aufgabe. eine Übereinstimmung nach Arbeitsvertrag.

Auf der Baustelle schenkte keiner den beiden Ankömmlingen
besondere Beachtung. Der Kran drehte in luftiger höhe
seine runden, hinterließ auf dem Autodach nur einen flüchtigen
Schatten. An seinem Arm baumelte der Materialnachschub
für die oberen etagen. ein Arbeiter flitzte mit einem
Schubkarren knapp an Felder vorbei. Dabei spritzte Schlamm
auf dessen lederschuhe und das hosenbein. er blickte dem
Mann nach und fragte sich, ob dieser das mit Absicht gemacht
hatte. Oder war er einfach nur im Weg gestanden?

„Wollen Sie zu mir ?“

Die Frage des Mannes, der auf sie zukam, scheuchte Felder
aus seinen Gedanken auf. er hatte wie sie einen helm auf, unter
seinem wattierten Gilet blitzte das Karomuster eines Flanellhemds
durch.

„ Ja“, antwortete Felder, „wir kommen von der Bauarbeiter-
Urlaubs- und Abfertigungskasse. Sind Sie hier der Verantwortliche?“

„ Ja, ich bin der Bauleiter. Aber gehen wir ins Büro.“ er
klemmte eine Planrolle unter seine Achsel. Dem Mann war
anzusehen, dass er über den ungebetenen Besuch nicht erfreut
war. er machte auch keinen hehl daraus, was er von der Kon

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trolle hielt. Kopfschüttelnd bat er die beiden in die Unterkunft,
wo um einen Arbeitstisch einige Sessel standen. „Von
der Sozialbetrugsbekämpfung seid’s ? na bei mir werdet’s ihr
nix finden.“

„Das wird sich ja gleich zeigen“, antwortete Felder knapp,
während rosicky seinen laptop aufklappte.

„Wollen Sie vielleicht einen Kaffee ?“, fragte der Bauleiter
mit gezwungenem lächeln. Schwer abzuschätzen, ob ihm
diese Geste wegen eines schlechten Gewissens oder wegen
geheuchelter Gastfreundlichkeit nur mühsam vom Gesicht
ging. Felder winkte ab. „nein danke, geben Sie mir nur die
Arbeitspapiere.“ Felder wusste, warum er zu seinen einsätzen
mit Anzug kam. er trug ihn wie ein Tier seinen Panzer. Das
Kleidungsstück gab ihm Selbstbewusstsein und vermittelte
ein Gefühl von Unverwundbarkeit. einer verbalen zumindest.
Sogar die Sache mit dem Dreckspritzer von vorhin war daran
abgeprallt und längst vergessen. So blieb er förmlich und distanziert.
Der Bauleiter hatte Schweißperlen auf der Stirn. ein
Krächzen drang aus seinem Walkie-Talkie. „ Jetzt nicht, ich
hab die herren von der Urlaubskasse da!“

rosicky warf seinem chef über den rand des Bildschirms
einen Blick zu. Felder nickte. „So“, sagte er mit scharfem Ton,
„jetzt, da Sie alle von unserem erscheinen informiert haben,
schlage ich vor, wir gehen gleich zum lokalaugenschein über.
Die lohnunterlagen können wir im Anschluss kontrollieren.“
„Wie Sie möchten“, sagte der Bauleiter zähneknirschend.

Die drei fuhren mit dem Bauaufzug in den siebzehnten
Stock. Dort waren einige Arbeiter damit beschäftigt, leitungen
zu verlegen, andere montierten Deckenplatten. Der Bauleiter
forderte sie auf, ihre Arbeit zu unterbrechen und nach
vorn zu kommen, wo Felder und rosicky warteten, um deren
Daten aufzunehmen. Bald waren die Kontrollore von einigen
Männern in staubiger Arbeitskleidung umringt. Sie tauschten

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untereinander taxierende Blicke aus, was für sich allein nichts
bedeutete. Felder hatte selten ein anderes Verhalten erlebt. eine
normale reaktion derer, die sich darüber empörten, für einen
potenziellen Schwarzarbeiter gehalten zu werden. Oder derer,
die verunsichert waren, weil man sie doch erwischt hatte.

Das rattern des Motors im hintergrund verriet, dass der
Aufzug sich zwischenzeitlich wieder in Gang gesetzt hatte.
Wenig später langte ein Mann um die Fünfzig , das haar gewellt,
die Augen von einer Sonnenbrille verdeckt sowie das
Gesicht mit Bartstoppeln überzogen, bei ihnen ein. er verließ
die Plattform und schritt auf Felder zu. Die Falten seines teuren
Anzugs folgten seinen Schritten. Durch das Gebäudeskelett
klang der Widerhall von genagelten Schuhabsätzen.

„Und wer sind Sie ?“, wollte Felder von dem neuankömmling
wissen.

„ratko Vukic“, antwortete der Südländer. „ich besitze eine
der hier am Bau beteiligten Firmen und wollte mir ein Bild
vom Arbeitsfortschritt machen. Wie mir scheint, komme ich
gerade recht.“

„Wenn Sie nicht stören, können Sie von mir aus hierbleiben.
Wo ist eigentlich ihr helm?“ Felder erntete auf diese Frage
nur ein herablassendes Grinsen. Kotzbrocken, dachte er,
ohne weiter darauf einzugehen.

Felder begann die Personalien der ersten Arbeiter aufzunehmen,
da entdeckte er weiter hinten, von einigen Metallstehern
verdeckt, einen Monteur, der auf einer leiter stehend
Fugen zwischen Gipskartonplatten ausspachtelte.

„Kommen Sie bitte auch zu uns herüber?“

Keine reaktion. „Sie bleiben alle hier!“, wies Felder die
Umstehenden an. er setzte sich in richtung des spachtelnden
Arbeiters in Gang. Sobald er ihn erreicht hatte, erkannte er
den Grund, warum der Mann sich bisher von seinem Zurufen
unbeeindruckt gezeigt hatte: Kopfhörer. Aus den Ohrstöp

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seln drangen leise orientalisch anmutende laute bis zu Felder.
er rüttelte den Mann am Bein.

Der Arbeiter drehte sich erschrocken zu Felder um. er
musterte diesen kurz, dann kniff er die Augen zusammen und
blickte hektisch um sich. er wechselte kurz verstörte Blicke
zwischen dem Kontrollor und der weiter weg stehenden Gruppe
um den Bauleiter. Plötzlich riss er die Augen auf. er warf die
Kopfhörer von sich und hastete die Stufen der leiter hinunter.
Die letzten übersprang er, was die leiter zum Kippen brachte.
Mit einem Satz war er am Boden gelandet und mit einem
Scheppern die leiter ebenso. er gab Felder einen rempler,
der ihn wanken ließ, und war auch schon auf und davon. es
muss ein instinkt gewesen sein – und auch bei seiner späteren
Vernehmung wird er keinen Grund angeben können, warum
er das gemacht hat –, der Felder dazu bewog , sich an die Fersen
des vermeintlichen Schwarzarbeiters zu heften. er sah ihn
über eine halberrichtete Ziegelmauer springen und tat es ihm
gleich. Der Verfolgte balancierte über ein Brett, das eine Spalte
im Boden überbrückte, Felder tat einige Sekunden später
dasselbe. Der Mann warf einige rollen Dämmstoff um, Felder
wich geschickt aus und hatte es sogar geschafft, den Abstand
auf wenige Meter zu verringern. er sah die dunklen locken
am hinterkopf des Flüchtenden. irgendwie wurde er das Gefühl
nicht los, diesen Schädel schon einmal gesehen zu haben.
Der Flüchtende trat einen Kübel um. eine zähfließende Masse
verteilte sich am Boden. Felder setzte zum Sprung an, hob ab
und landete mit dem Absatz genau in der lacke. Der Schuh
rutschte vorwärts und er musste sich verrenken, um einen kapitalen
Sturz zu vermeiden. es gab ihm einen Stich im Kreuz.
er atmete durch. ein-, zweimal, bis sich der Schmerz beruhigt
hatte. Der Mann hatte nun seinen Vorsprung wieder ausbauen
können und war hinter einer Betonmauer verschwunden. Felder
erreichte kurz danach ebenfalls die Mauer. Doch dort hat

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te er sein Ziel aus den Augen verloren. er horchte in das Brummen
der Baustelle. es waren die Schritte, die ihm den Weg
wiesen. er hörte flinke Füße, die Stufen stiegen. Von Tempo
und rhythmus her wahrscheinlich nach oben. Felder hetzte in
das Stiegenhaus, vorbei an den offenen Aufzugsschächten. ein
unachtsamer Tritt ins leere und es ging abwärts – ohne halt.
Felder erreichte das nächste Stockwerk. hier hatte der innen-
ausbau noch nicht begonnen. Bis auf wenige Betonsäulen gab
es nichts, hinter dem man sich verstecken konnte. Doch von
dem Arbeiter war nichts zu sehen. Dafür hörte er – und dabei
wird er trotz aller Widersprüche in seiner Aussage später bleiben
– zwei Stimmen.

„halt, bleiben Sie jetzt endlich stehen!“ Felder musste
selbst stehen bleiben und tief luft holen. er hatte Seitenstechen.
Sein Fuß schmerzte und seine lungen brannten. Dabei
hatte er schon vor Jahren mit dem rauchen aufgehört. Die
Spätfolgen eines lotterlebens, würde ihn sein neunmalkluger
Sohn jetzt wahrscheinlich necken. ein Geräusch hinter der
Wand holte ihn zurück. er war auf der Jagd, er durfte keine
Pause machen.

Zuerst ein Schrei, kurz nur, dann Schritte. Felder setzte
sich in Gang , lief wieder los, steckte seinen Kopf durch einen
Türstock in einer Trennwand. hier fand sich ein weiterer Stiegenabgang.
Felder wollte mit letzter energie hinabrauschen,
als ihn ein röcheln im letzten Moment zurückhielt. er lauschte
angestrengt, versuchte die Quelle zu lokalisieren. er bewegte
sich vorsichtig bis zum offenen rand des Stockwerks, da
erkannte er, dass daneben, etwas abgesetzt, noch eine Fläche
errichtet war, mit einem kleinen Sprung locker zu erreichen.
rostige Metallstäbe ragten aus dem estrich in die luft. Sofort
erkannte er den schwarzen lockenkopf des Arbeiters. er
war auf den Bewehrungsstahl gestürzt, lag da wie ein Käfer,
der versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Doch es ging

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nicht. er hing fest, war richtiggehend fixiert. einige Spieße
hatten seinen rücken durchbohrt und ragten aus der Brust
hinaus. Die Bauchdecke war offen. „Um Gottes Willen“, entfuhr
es Felder, der zu dem Verletzten hinabsprang. er suchte
nach seinem handy. ein notarzt musste her, sofort!

Während er auf das Freizeichen des notrufs wartete, beugte
er sich zu dem Mann vor. „halten Sie durch, es wird bald
hilfe da sein.“ er betrachtete das schmerzverzerrte Gesicht des
Mannes, der noch keine vierzig war, als er erschrak. Der Sterbende
hatte ihm etwas Kaltes in seine hand gedrückt.

„Passen Sie gut darauf auf “, murmelte er, während ihm das
Blut aus Mund und Brust quoll. Felder öffnete seine hand und
betrachtete das Stück Metall in seiner hand. ein Schlüssel. er
sah dem Mann in die gen himmel gerichteten Augen. „Moment
… ich kenne Sie“, stammelte er, da meldete sich endlich
die einsatzzentrale. Doch in diesem Moment war das leben
bereits aus dem Körper entschwunden. Wie eine Strohpuppe
schien er an das Bauwerk geheftet. Felder ließ sein Telefon sinken,
er selbst ging in die Knie. ihm wurde schwarz vor Augen,
die Welt um ihn herum war plötzlich so fern und so leise …

„Warum haben Sie das getan?“ Felder drehte sich zu den
zwei Polizisten um. Ver wundert betrachtete er das Display seines
Telefons, verwundert darüber, dass die Polizei so schnell
gekommen war. Wer die wohl gerufen hatte ? im hintergrund
sah er, wie ihm die anderen Bauarbeiter von drüben neugierige
Blicke zuwarfen.

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