„Nichts bleibt“ – Willi Achten

Nichts bleibt – Willi Achten


„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa.
Er ist ein preisgekrönter Kriegsfotograf und hat alles an Grauen gesehen, was es in der Welt gibt. Um seine Seele zu retten oder zu reparieren, zog Franz Mathey schon vor Jahren zu seinem Vater ins Elternhaus, in einen idyllischen Wald, fern von Gewalt. Hier wuchs auch lange sein Sohn auf, der aber nach einem Unfall zur Mutter in die Schweiz zog. Als Matheys Vater Opfer einer Gewalttat wird, sinnt er auf Rache.
Kurz vorweg – dieses Buch ist nichts für sehr feinfühlige Leser. Die Kriegsszenen sind sehr eindrücklich und detailliert beschrieben!
Es ist schwierig den Einstieg in diese Rezension zu finden, da der Roman bei mir sehr viele Eindrücke interlassen hat. Zum einen ist es ein Buch, welches mit seinen Worten fern vom Mainstream, mitunter philosophischen Abschnitten geschrieben wurde. Zum anderen hat es Aspekte eines Schweden-Krimis, welche düster, grau und schwermütig daherkommen.
„Zum Schluss gesellte sich zu ihm die Zeit, die verstrich, ohne dass sie ihn heilte, ohne dass sie ihn in den Tod entlassen wollte. Eine leere vor sich hinlaufende Zeit, eine Zwischenzeit ohne jeden Sinn.“
Der ganze Roman ist ein einziges Hoffen und Bangen, da sich alles um das Thema Verlust dreht. Der Autor Willi Achten lässt seinen Hauptdarsteller selten wirklich lange entspannen und Luft holen. Selbst für den Leser ist das Unheil greifbar.
„Die Spuren zogen von dort hinaus in den Gemüsegarten, dann zum Bach. Die Fußspuren zweier Männer. Ich spürte ein Flimmern im Bauch. Jemand mochte sich verirrt haben. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Die Spuren waren noch ganz frisch.“
In seinen Beschreibungen schwenkt Achten im Leben von Manthey oft fließend von der Gegenwart in die Vergangenheit und fordert demzufolge eine erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Gegenwart wird somit durch Ereignisse in der Vergangenheit unterstrichen und Verstärkt.
„Wut ist ein Pervertin in unseren Adern, es löscht die Angst.“
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Achten, wie Matheys Leben aus dem Ruder gerät, wie seine Welt sukzessiv zusammenbricht, er sich in den Strudel der Rache hineinziehen lässt. Achten fokussiert sich auf die Grundlagen für den Showdown im Teil. Dieser beginnt zunächst entspannt, geradezu erholsam. Mathey zieht sich in die Berge zurück um zum finalen Schlag gegen seine Widersacher auszuholen. Ein Schlag, bei dem er selbst nicht genau weiß, wie er endet.
„Der Schnee schmolz. Der Winter hatte nur kurz gegrüßt. Ich intensivierte mein Training, nutzte die Zeit. Jeden Tag stieg ich 500 Höhenmeter, danach ging ich zu Fred. Er betrieb im Dorf ein Fitnessstudio.“
Fazit: Es sind die Beschreibungen und die Wortgewalt, mit denen mich Willi Achten völlig in seinen Bann gezogen hat und es schwer machten, das Buch aus der Hand zu legen.
Leseempfehlung? Zweifelsohne. Für mich war das Buch aufwühlend und mitreißend. Es fiel mir schwer, es für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Für wen?  Krimifans, welche nicht ausschließlich dem Mainstream folgen, werden hier in meinen Augen bestens bedient.
Nichts bleibt – Willi Achten
Krimi
Erschienen 201 im Pendragon Verlag
376 Seiten
Klappbroschur
ISBN-10: 3865325688
ISBN-13: 978-3865325686
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01N6XOK1V



„Das Rosie-Projekt“ – Graeme Simsion

Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion


Was passiert, wenn ein Mann die Frau fürs Leben sucht? Vielleicht nutzt er eines der bekannten Dating Portale und trifft sich mit verschiedenen Kandidatinnen, in der Hoffnung Mrs. Right befindet sich darunter. Was aber macht ein Mann, mit eher gehemmter Empathie, mit festen Lebensritualen und sehr konkreten Vorstellungen, einem Nerd, dem funktionale Kleidung wichtiger als formale ist? Er entwirft einen sehr genauen Fragebogen, um damit die Frau zu finden, welche 100%ig zu ihm passt. Im Grunde genommen eine schöne Idee, um schon im Anfangsstadium die Spreu vom Weizen zu trennen. Raucherin? Niemals. Vegetarierin? Auch schwierig. Unflexibel bei der Auswahl einer Eissorte? Unvorstellbar. Unpünktlich? Nein, danke. Don Tillman ist Professor für Genetik. Er sucht Mrs. Right mittels eines 16-seitigen Fragebogens, der ebendiese Fragen abklärt und sich schnell als eher hinderlich als hilfreich erweist. Dann trifft er auf Rosie, die rätselt, wer ihr leiblicher Vater ist. Was bietet sich für die Barkeeperin besser an, als die Hilfe eines Genetikers in Anspruch zu nehmen? Da Rosie notorisch unpünktlich ist, eher nachts als tagsüber arbeitet, raucht und Vegetarierin ist, sind zwischenmenschliche Dinge, welche über eine Bekanntschaft hinausgehen völlig ausgeschlossen …
„Ich bin neununddreißig Jahre alt, groß, durchtrainiert und intelligent, mit relativ hohem gesellschaftlichem Status und überdurchschnittlichem Einkommen als Assistenzprofessor. Gemäß den Gesetzen der Logik sollte ich für eine ganze Reihe von Frauen attraktiv sein. Im Reich der Tiere würde ich mich erfolgreich vermehren. Offenbar jedoch habe ich etwas an mir, das Frauen unattraktiv finden.“
Es gibt sie, die vielschichtigen Geschichten über das Leben von Autisten. Wie in Rain Man werden Klischees an Land gezogen und minutiös dem Leser als typisch verkauft. Autisten sind verschlossen, körperfern gegenüber Mitmenschen und benötigen einen perfekten, abweichungsfreien Tagesablauf.  Der von Autor Graeme Simsion in der Ich-Version erzählende Protagonist Don ist Asperger Autist, allerdings ohne Diagnose. Er selbst hält sich für anders, sieht aber selber keinen Zusammenhang mit den aufgezeigten Syndromen. Er weist auf den ersten Blick, die landläufig als typisch bezeichneten Asperger Merkmale auf und zeigt doch in der Interaktion mit ihm vertrauten Menschen oder Situationen ein gutes Maß an Flexibilität. Eine hervorragende Grundlage für den Roman.
In lockeren, aber auch nachdrücklichen Kapiteln erzählt uns Simsion die Entwicklung einer ganz besonderen Beziehung, welche man klar mit „Gegensätze ziehen sich an“ definieren kann. Ohne in gnadenlosen Slapstick zu verfallen, schildert er das oft komische Scheitern von Don in der normalen Gesellschaft oder auch Rosies grob anmutendes Verhalten ihm gegenüber. Es entwickelt sich beim Leser eine große Sympathie für die beiden, so dass sich der Roman zu einem leichtfüßiger Pagetuner entwickelt, den man nur ungern aus der Hand legt. Rosie ist alles andere als empathielos, im Gegenteil, ohne es manchmal selbst zu wissen, wirkt sie mit viel Gefühl auf Don ein und gibt ihm neue Impulse oder Nachhilfe in Alltagssituationen.
„Während sie mit meinem …“, hier hob Rosie die Hände und bewegte ihre beiden Zeige- und Mittelfinger zweimal kurz nach unten, „… Vater zusammen war. Mein richtiger Vater ist ein Arzt. Ich weiß nur nicht, welcher. Das kotzt mich wirklich an.“
Diese Handbewegung faszinierte mich, und ich schwieg eine Weile, um ihren Sinn zu ergründen. War es ein Zeichen von Unmut gewesen, weil sie ihren richtigen Vater nicht kannte? Wenn ja, so hatte ich diese Geste noch nie gesehen. Und warum hatte sie gerade diesen Moment gewählt, um ihren Unmut zu bekunden … natürlich! Als Satzzeichen!
„Anführungszeichen“, sagte ich laut, als es mir aufging.
„Was?“
„Sie haben Anführungszeichen um >Vater< gesetzt, um darauf hinzuweisen, dass das Wort nicht die üblichen Bedeutung hat. Sehr clever.“
„Sie sind ein echter Einstein“, kommentierte Rosie.
Fazit: Das Rosie-Projekt ist ein liebenswert, nicht ohne Tiefgang geschriebener Roman, mit einer gehörigen Portion Humor.
Leseempfehlung? Klar.
Für wen? Thriller-Liebhaber werden hier ebenso wenig auf ihre Kosten kommen wie Leser von Fachbüchern. Ansonsten heißt es – lesen und herausfinden.



Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion
Roman
Erschienen Februar 2015 im Fischer Taschenbuchverlag
367 Seiten
Taschenbuch
ISBN-10: 3596197007
ISBN-13: 978-3596197002
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B00F9NGOWQ

Rezi: Bühnentod – Christian Klinger

Bühnentod – Christian Klinger


Die Wachau. Der wunderschöne ländliche Vorgarten Wiens, mit seinen pittoresken Dörfern, Wäldern und Bächen. Privatermittler Marco Martin hatte angedacht das Wochenende, nebst seiner Liebsten, hier auf Einladung des ansässigen Bürgermeisters zu verbringen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Während der Aufführung des örtlichen Freilufttheaters, fällt der Schatten des Todes über das idyllische Bad Blumenbach.

Hin- und hergerissen zwischen Beruf und Privatleben, beginnt Marco Martin seine Ermittlungen, welche sich hinsichtlich vieler Aspekte nicht als ganz einfach erweisen. Dabei spielt sein geliebter Oldtimer nur eine Randrolle. Zu viele Fragen stehen im Raum und der betroffene Personenkreis weitet sich immer mehr aus. Oftmals trügt der Anschein und Marco Martin muss viele Steine umdrehen, bevor ein klarer Ermittlungsansatz ersichtlich wird. An einer erfolgreichen Aufklärung scheint nur ein sehr kleiner Teil der Dorfgemeinschaft interessiert zu sein. Das muss der Privatdetektiv am eigenen Leib erfahren.

In seinem nunmehr dritten Roman schliddert Christian Klingers Ermittler in das nahezu größtanzunehmende Chaos. Nichts verläuft nach Plan und egal was er anpackt, nichts will Marco Martin gelingen.
Mittelpunkt der Geschichte ist das Thema Beziehung. Wer steht zu wem in welchem Verhältnis? Chef – Angestellter, Freund – Freundin, Eltern – Kinder? Die daraus resultierenden Geschehnisse machen den Krimi in vieler Hinsicht sehr facettenreich. 
An manchen Stellen möchte man denken, dass Christian Klinger dem Leser zu einfache Hinweise zur Lösung des Rätsels gibt. Doch nicht jede dieser Fährten darf man vertrauen. Die Aufklärung erfolgt und wird beim Leser den einen oder anderen Aha-Effekt auslösen.

Jetzt lief Martins Gesicht rot an wie ein Hummer im Siedewasser. „Was meinst du?“
„Jederwaß des, nur ned du und anja. Sogar deine Eltern hams gwusst.“
Martin breitete seine Arme wie Pontius Pilatus aus. „Ja, deswegen war j auch unser Verhältnis gestört. Aber wahrscheinlich bin ich es, der gestört ist. Ich gehör zum Psychiater oder am besten gleich in die Klapse.“
Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter. „Mach dir kane Sorgen, du bist ganz normal.“
„Wenn ein Mann auf seine Schwester steht, das findest du normal?“

Fazit: Dieser Krimi ist mehr als sonst wert aufmerksam gelesen zu werden. Kurz und gut – a leiwande Kriminalg‘schichtn – wie der Wiener sagen würde.


Leseempfehlung? Natürlich!

Für wen? Freunde des Regional-/Österreich-Krimis mit Freunde am Dialektlesen. 
 

Reinlesen? https://www.amazon.de/B%C3%9CHNENTOD-Marco-Martins-dritter-Fall/dp/3901392572#reader_B012U7BHBQ

Bühnentod – Christian Klinger
Krimi
Erschienen: 27. Juli 2015 bei Steinverlag GmbH
274 Seiten
Broschiert 
ISBN-10: 3901392572
ISBN-13: 978-3901392573
Auch in der Kindl Edition zu erhalten.
ASIN: B012U7BHBQ