„Das Apfelblütenfest“ – Carsten S. Henn

Das Apfelblütenfest – Carsten Sebastian Henn
Frankreich – vor 24 Jahren.
Der kleine Jules Lignier möchte seinen Vater wieder glücklich sehen und versucht mittels einer etwas anderen Annonce eine Frau für ihn zu finden. Sein Komplize ist ein mächtiger Baum mit Namen Louis XIV.
Frankreich – heute.
Im beschaulichen Örtchen Villers-sur-Mer betreibt der erwachsene und alleinlebende Jules Lignier, auf dem Landgut seiner Familie, neben einer Apfelplantage einen Cidre und Calvados Hof. Die Geschäfte könnten besser laufen, doch ein Hoffnungsschimmer ist in Sicht.
Gleichzeitig liest eine junge Heilpraktikerin mit Namen Lilou Leflaive jene Worte, die der kleine Junge vor Jahrzehnten in den Baum geritzt hat. Da sie eine weitere Einnahmequelle benötigt, mach sie sich auf den Weg zu Jules Hof. Es dauert eine Weile, doch sie lernen sich kennen. Der verbissene Jules und die lebensfrohe Lilou – kein Paar auf welches man wetten möchte. Wie ein Schiff in einem Sturm, schaukelt die Beziehung der beiden im Wellengang der Gefühle. Durch Jules Geheimniskrämerei jederzeit gefahrlaufend zu kentern.
Ich kann nicht anders. Es ist völlig kitschig, aber wenn es irgendwo zutrifft, dann hier:
Das Apfelblütenfest ist wie eine warme Sommerbriese auf nackter Haut. Es prickelt, es lullt einen ein und hinterlässt eine Gänsehaut.
Eigentlich könnte man es schon genauso stehen lassen, wenngleich es dem Roman nicht gerecht werden würde. Denn er ist viel mehr. Er ist Anschauungsunterricht für zwischenmenschliche Kommunikation und macht deutlich, dass Handlungen unterschiedliche Interpretationen zulassen.

Er kann nicht anders. Carsten Henn kann eine Geschichte nicht erzählen, ohne auch etwas Kulinarisches darin zu verpacken, wie in diesem Fall Calvados, bzw. Cidre. Aber es bildet nur das Gerüst, welches eine wunderbare Lovestory beinhaltet, die geradezu gemacht ist, um sich in Urlaubsträumereien zu verlieren. Henn schafft es mit seinen Beschreibungen, dass man das Meer riechen, den Calvados schmecken und den Wind hören kann. Fast greifbar ist die Spannung und Anziehung zwischen Lilou und Jules, die innerhalb ihrer Gefühlswelt immer wieder völlig hin und her gerissen werden. Jules, der sich vehement gegen alles wehrt, was Nähe und Zärtlichkeit beinhaltet und Lilou, die für alles offen ist, sich treiben lässt und dafür manchmal einen hohen Preis zahlen muss.
Es ist ein Roman der atmet. Er atmet mal tief, mal flach. Er lebt. Er hinterlässt ein wohliges Gefühl mit einem Schuss Schnappatmung. Und manchmal auch Fassungslosigkeit. Über die Trägheit mancher Figuren, ihre Unbeweglichkeit in bestimmten Situationen, die wiederum die Geschichte vorantreibt und ihr Wendungen gibt, die Spannung erzeugt. Im Grunde ein Roman, wie ein reales Leben, in dem eben nicht alles läuft, wie man es plant, da im Hintergrund das Schicksale vor Lachen vom Stuhl kippt und immer wieder alles auf Null setzt. Und das macht Das Apfelblütenfest zu einem Roman, der alles andere als voraussehbar und statisch ist.
Fazit: Ja, es ist ein Liebesroman und ja, er ist zuweilen klebrig süß und rosarot und doch findet er meiner Meinung nach eine gute Balance zu Realität. Das Apfelblütenfest ist eine Geschichte, die erzählt werden muss, weil sie so ist, wie sie ist und immer wieder Hoffnung gibt.
Leseempfehlung? Definitiv!


Das Apfelblütenfest – Carsten S. Henn
Roman
Erschienen am 01. März 2016 bei Pendo im Piper Verlag
352 Seiten
Hardcover
ISBN-13: 978-3-86612-386-1
Auch in der Kindl Edition erhältlich:
ASIN: B01860TPZG

„Kalter Schuss ins Herz“ – Wallace Stroby

Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby


„Drei Minuten nachdem sie durch den Haupteingang gekommen war, hatte Crissa den Manager und die zwei Angestellten mit dem Gesichtern auf den Boden, die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.“

Sie kommt, räumt ab und verschwindet wieder. Crissa Stone ist Räuberin, Ganovin, Einbrecherin. Keine Femme fatale, kein Herzchen, welches auf High Heels versucht, Männern den Kopf zu verdrehen oder gar eine 130 Kilo Amazone. Crissa ist eher eine hübsche Durchschnittsfrau, die nicht aus der Masse hervorsticht und somit attraktiv-unauffällig wirkt. Sie setzt sich in ihrem „Geschäftsfeld“, einer Männerdomäne, durch. Das geht nicht immer ohne Blessuren ab. Waffen gehören zu ihrem Arbeitsmaterial, dienen zur Abschreckung und weniger dazu Menschen tatsächlich zu verletzen oder zu töten. Um einen guten Bruch zu machen nutzt sie ihr Köpfen. Kann gut abschätzen, ob sich der Einsatz tatsächlich lohnt oder ob zu viele Komplikationen auf sie warten.

Bis zu dieser Sache im Süden. Es schien nicht einfach, aber durchführbar. Etwas läuft aus dem Ruder und unversehens landet Crissa in einer Geschichte aus Rache und Gier, welche sie mit dem Leben bezahlen könnte.


Eine weibliche Räuberin, die nicht mit Reizen punktet. Schurkin, Heldin und Opfer in einer Person. Kein schießwütiges Flintenweib, keine perfekte Kampfsportmaschine, die mit ihrem kleinen Finger mehr Unheil anrichtet, als eine Herde wild gewordener Büffel. Crissa ist eine teamfähige Einzelkämpferin mit Gewissen und einer Schublade voller persönlicher Dämonen, welche sie immer wieder einholen.


„Als Casco sich vorbeugte, sein Gesicht im Safe, setzte Eddie ihm einen Fuß zwischen die Schulterblätter, um ihn dort zu halten und schoss ihm zwei Mal in den Hinterkopf.“


Womit wir bei Crissas Gegenspieler wären. Der heilige Eddie. Ein böser Bube, ohne Gewissen, welcher dem Roman erst richtig Spannung und Tempo gibt. Ihm muss sich Crissa entgegenstellen, will sie nicht ihr Leben verlieren.


„Ich mochte die Idee einer starken, aber verletzlichen Frau, die sich in einer Männerwelt behauptet“, schreibt Wallace Stroby über seine Hauptdarstellerin. Meiner Ansicht nach hat der Autor dieses perfekt getroffen und umgesetzt. Ohne Schnickschnack und Adjektiv-Heischerei bringt Wallace Stroby seine Geschichte auf den Punkt. Personen und Orte sind klar und nicht überzeichnet, so dass die Phantasie des Lesers gefordert wird und er aus den gesetzten Eckpunkten sich selbst, ohne großes Federlesen, eine Vorstellung von dem machen kann, was er gerade liest. Das liegt an Wallace Schreibstil, welcher in bester, klassischer amerikanischer Manier daher kommt. Hard-Boiled nennt sich dieses Genre, in dem die Protagonisten viele Actionreiche Szenen erleben dürfen und selbst die vermeintlich ruhigeren Abschnitte nicht ohne Spannung bleiben.


Die Geschichte ist linear erzählt aus der Perspektive des personalen Erzählers. Somit gibt es keine Rückblicke in die Vergangenheit der Figuren, es sei denn, sie erzählen davon. Der Roman ist, trotz seiner Reminiszenz an Serien wie z.B. 77th Sunset Strip, modern und aktuell, aber eben mit klassischen Motiven wie im Mafiagenre.

Leseempfehlung? Ein ausgesprochener Lesespass mit großer Sogwirkung!


Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby

Krimi

Erschienen im August 2015 im Pendragon Verlag

352 Seiten

Klappbroschur

ISBN-10: 3865324878

ISBN-13: 978-3865324870

Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B015MRKDSE

Leseprobe: http://www.weiterlesen.de/Leseprobe/Kalter-Schuss-ins-Herz/9783865325167/html

„Nichts bleibt“ – Willi Achten

Nichts bleibt – Willi Achten


„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa.
Er ist ein preisgekrönter Kriegsfotograf und hat alles an Grauen gesehen, was es in der Welt gibt. Um seine Seele zu retten oder zu reparieren, zog Franz Mathey schon vor Jahren zu seinem Vater ins Elternhaus, in einen idyllischen Wald, fern von Gewalt. Hier wuchs auch lange sein Sohn auf, der aber nach einem Unfall zur Mutter in die Schweiz zog. Als Matheys Vater Opfer einer Gewalttat wird, sinnt er auf Rache.
Kurz vorweg – dieses Buch ist nichts für sehr feinfühlige Leser. Die Kriegsszenen sind sehr eindrücklich und detailliert beschrieben!
Es ist schwierig den Einstieg in diese Rezension zu finden, da der Roman bei mir sehr viele Eindrücke interlassen hat. Zum einen ist es ein Buch, welches mit seinen Worten fern vom Mainstream, mitunter philosophischen Abschnitten geschrieben wurde. Zum anderen hat es Aspekte eines Schweden-Krimis, welche düster, grau und schwermütig daherkommen.
„Zum Schluss gesellte sich zu ihm die Zeit, die verstrich, ohne dass sie ihn heilte, ohne dass sie ihn in den Tod entlassen wollte. Eine leere vor sich hinlaufende Zeit, eine Zwischenzeit ohne jeden Sinn.“
Der ganze Roman ist ein einziges Hoffen und Bangen, da sich alles um das Thema Verlust dreht. Der Autor Willi Achten lässt seinen Hauptdarsteller selten wirklich lange entspannen und Luft holen. Selbst für den Leser ist das Unheil greifbar.
„Die Spuren zogen von dort hinaus in den Gemüsegarten, dann zum Bach. Die Fußspuren zweier Männer. Ich spürte ein Flimmern im Bauch. Jemand mochte sich verirrt haben. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Die Spuren waren noch ganz frisch.“
In seinen Beschreibungen schwenkt Achten im Leben von Manthey oft fließend von der Gegenwart in die Vergangenheit und fordert demzufolge eine erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Gegenwart wird somit durch Ereignisse in der Vergangenheit unterstrichen und Verstärkt.
„Wut ist ein Pervertin in unseren Adern, es löscht die Angst.“
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Achten, wie Matheys Leben aus dem Ruder gerät, wie seine Welt sukzessiv zusammenbricht, er sich in den Strudel der Rache hineinziehen lässt. Achten fokussiert sich auf die Grundlagen für den Showdown im Teil. Dieser beginnt zunächst entspannt, geradezu erholsam. Mathey zieht sich in die Berge zurück um zum finalen Schlag gegen seine Widersacher auszuholen. Ein Schlag, bei dem er selbst nicht genau weiß, wie er endet.
„Der Schnee schmolz. Der Winter hatte nur kurz gegrüßt. Ich intensivierte mein Training, nutzte die Zeit. Jeden Tag stieg ich 500 Höhenmeter, danach ging ich zu Fred. Er betrieb im Dorf ein Fitnessstudio.“
Fazit: Es sind die Beschreibungen und die Wortgewalt, mit denen mich Willi Achten völlig in seinen Bann gezogen hat und es schwer machten, das Buch aus der Hand zu legen.
Leseempfehlung? Zweifelsohne. Für mich war das Buch aufwühlend und mitreißend. Es fiel mir schwer, es für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Für wen?  Krimifans, welche nicht ausschließlich dem Mainstream folgen, werden hier in meinen Augen bestens bedient.
Nichts bleibt – Willi Achten
Krimi
Erschienen 201 im Pendragon Verlag
376 Seiten
Klappbroschur
ISBN-10: 3865325688
ISBN-13: 978-3865325686
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01N6XOK1V



„Das Rosie-Projekt“ – Graeme Simsion

Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion


Was passiert, wenn ein Mann die Frau fürs Leben sucht? Vielleicht nutzt er eines der bekannten Dating Portale und trifft sich mit verschiedenen Kandidatinnen, in der Hoffnung Mrs. Right befindet sich darunter. Was aber macht ein Mann, mit eher gehemmter Empathie, mit festen Lebensritualen und sehr konkreten Vorstellungen, einem Nerd, dem funktionale Kleidung wichtiger als formale ist? Er entwirft einen sehr genauen Fragebogen, um damit die Frau zu finden, welche 100%ig zu ihm passt. Im Grunde genommen eine schöne Idee, um schon im Anfangsstadium die Spreu vom Weizen zu trennen. Raucherin? Niemals. Vegetarierin? Auch schwierig. Unflexibel bei der Auswahl einer Eissorte? Unvorstellbar. Unpünktlich? Nein, danke. Don Tillman ist Professor für Genetik. Er sucht Mrs. Right mittels eines 16-seitigen Fragebogens, der ebendiese Fragen abklärt und sich schnell als eher hinderlich als hilfreich erweist. Dann trifft er auf Rosie, die rätselt, wer ihr leiblicher Vater ist. Was bietet sich für die Barkeeperin besser an, als die Hilfe eines Genetikers in Anspruch zu nehmen? Da Rosie notorisch unpünktlich ist, eher nachts als tagsüber arbeitet, raucht und Vegetarierin ist, sind zwischenmenschliche Dinge, welche über eine Bekanntschaft hinausgehen völlig ausgeschlossen …
„Ich bin neununddreißig Jahre alt, groß, durchtrainiert und intelligent, mit relativ hohem gesellschaftlichem Status und überdurchschnittlichem Einkommen als Assistenzprofessor. Gemäß den Gesetzen der Logik sollte ich für eine ganze Reihe von Frauen attraktiv sein. Im Reich der Tiere würde ich mich erfolgreich vermehren. Offenbar jedoch habe ich etwas an mir, das Frauen unattraktiv finden.“
Es gibt sie, die vielschichtigen Geschichten über das Leben von Autisten. Wie in Rain Man werden Klischees an Land gezogen und minutiös dem Leser als typisch verkauft. Autisten sind verschlossen, körperfern gegenüber Mitmenschen und benötigen einen perfekten, abweichungsfreien Tagesablauf.  Der von Autor Graeme Simsion in der Ich-Version erzählende Protagonist Don ist Asperger Autist, allerdings ohne Diagnose. Er selbst hält sich für anders, sieht aber selber keinen Zusammenhang mit den aufgezeigten Syndromen. Er weist auf den ersten Blick, die landläufig als typisch bezeichneten Asperger Merkmale auf und zeigt doch in der Interaktion mit ihm vertrauten Menschen oder Situationen ein gutes Maß an Flexibilität. Eine hervorragende Grundlage für den Roman.
In lockeren, aber auch nachdrücklichen Kapiteln erzählt uns Simsion die Entwicklung einer ganz besonderen Beziehung, welche man klar mit „Gegensätze ziehen sich an“ definieren kann. Ohne in gnadenlosen Slapstick zu verfallen, schildert er das oft komische Scheitern von Don in der normalen Gesellschaft oder auch Rosies grob anmutendes Verhalten ihm gegenüber. Es entwickelt sich beim Leser eine große Sympathie für die beiden, so dass sich der Roman zu einem leichtfüßiger Pagetuner entwickelt, den man nur ungern aus der Hand legt. Rosie ist alles andere als empathielos, im Gegenteil, ohne es manchmal selbst zu wissen, wirkt sie mit viel Gefühl auf Don ein und gibt ihm neue Impulse oder Nachhilfe in Alltagssituationen.
„Während sie mit meinem …“, hier hob Rosie die Hände und bewegte ihre beiden Zeige- und Mittelfinger zweimal kurz nach unten, „… Vater zusammen war. Mein richtiger Vater ist ein Arzt. Ich weiß nur nicht, welcher. Das kotzt mich wirklich an.“
Diese Handbewegung faszinierte mich, und ich schwieg eine Weile, um ihren Sinn zu ergründen. War es ein Zeichen von Unmut gewesen, weil sie ihren richtigen Vater nicht kannte? Wenn ja, so hatte ich diese Geste noch nie gesehen. Und warum hatte sie gerade diesen Moment gewählt, um ihren Unmut zu bekunden … natürlich! Als Satzzeichen!
„Anführungszeichen“, sagte ich laut, als es mir aufging.
„Was?“
„Sie haben Anführungszeichen um >Vater< gesetzt, um darauf hinzuweisen, dass das Wort nicht die üblichen Bedeutung hat. Sehr clever.“
„Sie sind ein echter Einstein“, kommentierte Rosie.
Fazit: Das Rosie-Projekt ist ein liebenswert, nicht ohne Tiefgang geschriebener Roman, mit einer gehörigen Portion Humor.
Leseempfehlung? Klar.
Für wen? Thriller-Liebhaber werden hier ebenso wenig auf ihre Kosten kommen wie Leser von Fachbüchern. Ansonsten heißt es – lesen und herausfinden.



Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion
Roman
Erschienen Februar 2015 im Fischer Taschenbuchverlag
367 Seiten
Taschenbuch
ISBN-10: 3596197007
ISBN-13: 978-3596197002
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B00F9NGOWQ

Rezi „Der David ist dem Goliath sein Tod“ – Torsten Sträter

Der David ist dem Goliath sein Tod – Torsten Sträter
Warum ist der David dem Goliath sein Tod?

Macht ein Praktikum in einem Sonnenstudio Sinn?

Wer verdammt nochmal ist Bumsgut Krombacher?


Herzlich willkommen im Sträter Universum. Einem ausgesprochen unterhaltsamen Platz, wo Kaffee fair behandelt wird und die Pest sich als Süßware enttarnt. Sträters Episoden über Familie und Nachbarschaft, seine jungen Leiden hinsichtlich Sex und Computerspiele sind schon eine Nummer für sich. Wirklichkeit und Fiktion bilden in seinen Geschichten nahtlose Übergänge. Wie einst Ephraim Kishon oder Erma Bombeck balanciert er hierbei auf einem schmalen Grat der Absurdität, welches gepaart mit seinem unverkennbaren Ruhrpott-Hochdeutsch eine geniale Mischung bildet. Der Mann hat bei der Vergabe des Humors einfach mehrfach hier gebrüllt. Ein Humor der sich sowohl im platten aber pointierten Wortwitz niederschlagen kann, als auch hintergründig daher schleicht, wobei er dem Publikum gerne mit einem bubenhaften Schmunzeln die Zeit gibt, den Witz zu verstehen.


„Kommt der Zander raus?“

Das war vielleicht ein wenig leger formuliert, dachte ich.

Drei Sekunden Stille.

Dann hörten wir: „UND OB!“

Den schweren Schritten nach, die da aus dem vierten Stock zu uns runterpolterten, fühlte sich Achims Vater angesprochen. Das war irgendwie nett, wenn man bedachte, dass er Nachtschicht gehabt hatte.

Uwe wurde ziemlich fahl. Aber Rückzug war keine Option. Andy murmelte absolut entspannt, fast meditativ: „Ich glaub, ich piss mir in die Hose.“

Dann war Rübezahl unten angekommen. Er ergriff Uwe am T-Shirt: „WISST IHR KLEINEN ÄRSCHE, WAS NACHTSCHICHT BEDEUTET? WISST IHR, WAS DAS HEISST? SCHLAF?“

Uwe sagte: „Kommt der Achim raus?“

„GLEICH HAT DER ARSCH KIRMES!“

„Der Achim“, hakte Uwe nach, „kommt der raus?“

Eine Stimme von oben: „DER HAT NEUN SEITEN PHYSIK, ACHT BLÖCKE BRUCHRECHNEN UND ´N AUFSATZ AUF!“

„Echt?“

„Jou!“

„Kann der sich bei dem Gebrüll überhaupt konzentrieren?“


Sehen wir es einmal ganz klar. Torsten Sträter ist ein Kind im Körper eines Kerls, mit dem Vokabular irgendwo zwischen Shakespeare und Marvel-Comics und einer Stimme, die Steine zum Schmelzen bringt. Ich bekenne hiermit freimütig – ich bin ein Sträter Groupie.


Fazit: Das war nicht mein letztes Buch von Torsten Sträter.

Leseempfehlung: Unbedingt, denn Lachen bringt Farbe ins Leben.

Warnung: Begegnet Sträter besser nicht, wenn eine Diät macht oder in Erinnerungen an den „Braunen Bär“ schwelgt.


So. Das war es. Schicht im Schacht.



Der David ist dem Goliath sein Tod – Torsten Sträter

Kurzgeschichten


Erschienen am 05. Dezember 2014 im Ullstein Verlag


192 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3548375359

ISBN-13: 978-3548375359


Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B005OP2W5W