„Nur über unsere Leichen“ – Emami, Williams, Chabrol

Nur über unsere Leichen – Emami, Williams, Chabrol

Die Idylle des Weinland Mittelrhein ist gestört. Klara Schönlein ist tot. Dass Klara bereits achtzig Lenze überschritten hat, hält ihre besten Freundinnen Elisabeth und Rosemarie nicht davon ab Zweifel an der Unfalltheorie der Polizei zu hegen. Die Staatsmacht stellt leider wenige bis gar keine Nachforschungen an, so dass die Freundinnen sich selbst an die Ermittlungen machen. Unterstützung erhalten sie, mehr oder weniger freiwillig, aus dem Familien- und Freundeskreis. Somit bildet sich schnell eine neue Organisation: Die W. A. R.. 

Rosemarie zieht mich von der Tür weg. „Lass mal“, sagt sie. „Wir gehen einfach hintenrum, durch den Garten. Klara hat bestimmt wieder nicht ihr Hörgerät angestellt. “Klara liegt genau unter ihrem Balkon. Ihre Beine stehen im weiten Winkel vom Körper ab, ihr Kopf ist völlig verdreht und sie starrt uns aus leeren Augen an. Für Klara muss sich kein Krankenwagen mehr beeilen. 
Es könnte ein Unfall gewesen sein. Könnte, läge dort nicht auch Klaras Lieblingskissen mit dem Hirsch. 
„Da hat jemand nachgeholfen.“

Graue Panther auf der Spur! Elisabeth van Ameln, verwitwete Winzerin, welche am liebsten die alte Kleidung ihres verstorbenen Gatten aufträgt und Rosemarie, ein mehrfach verheiratetes Alt-Blumenkind, wollten es sich eigentlich in ihrem neuen Zuhause, der Seniorenresidenz „Himmelsleiter“ in Klosterley, gemütlich machen. Doch durch den jähen Tod ihrer Freundin Klara tritt das zunächst in den Hintergrund. Für die beiden rüstigen und sehr agilen Damen ist klar – es war Mord. Aber wer hat ein Motiv? Klaras Enkel Peter, der sein Geld in eine Bügeleisensammlung investiert und bisher sein Leben mittels monetärer Zuwendungen seiner Großmutter bestreitet? Die Ladys erkennen schnell, dass sie alleine die Ermittlungen nicht führen können. Glücklicherweise kommen ihnen Elisabeths Neffe Leo unverhofft oder eher ungewollt zur Hilfe. Eigentlich wollte Leo auf dem Weingut seiner Tante seinen „Burnout“ auskurieren. Zugunsten der eindringlichen Fürsprache von Elisabeth und auch dem Erscheinen von Fatima, einer kopftuchtragenden Privatdetektivin, stellt er kurzfristig sein „Leiden“ hinten an. Somit entsteht die W. A. R. – die Wacht Am Rhein!

Sie wissen sich zu helfen, die Damen aus dem Weinland. Dank der Hilfe des Autorenteams Leila Emami, Fenna Williams und Zazie Chabrol. Sie schaffen es in dem 368 Seiten Krimi für kurzweilige Unterhaltung und Spannung zu sorgen. Der Krimi, der in der Gegenwartsform verfasst ist, und dessen Kapitel jeweils aus der Sicht von Elisabeth, Leo oder Monika berichtet, lässt nicht nur die Protagonisten oftmals die falsche Schlüsse ziehen, sondern auch den Leser. Somit entsteht ein stetiger Spannungsbogen, bei dem das Thema Humor nicht zu kurz kommt. Das Autorenteam versetzt nahezu jede Figur diverse Male in völlig absurde Situationen, welche dem Leser mehr als nur ein Schmunzeln entlockt. Im allerbester Screwball-Stil schliddern allen voran natürlich die bodenständigen Elisabeth und deren Hippie-Freundin Rosie, aber auch Leo durch diese Krimikomödie und werfen sich hierbei verbal die Bälle zu. 

„Ich lotse dich zur Praxis“, biete ich Rosie an und fische meine Wanderkarte … aus dem Handschuhfach. „Nicht nötig“, winkt Rosie ab. „Ich war schon mal dort, um mir an der Rezeption eine Preisliste geben zu lassen.“ „Du?“ Ich höre wohl nicht richtig. „Ich verstehe ja, dass du versuchst deinen Körper durch den Inhalt deiner Töpfe und Tiegel und Fläschchen vor dem Altwerden zu bewahren – aber der Wunsch nach einer Optimierung durch einen Schönheitschirurgen wie Graf von Flaschenburg hätte ich dir nun doch nicht zugetraut.“ … „Nein, die Preisliste war nicht für mich“, wiederholt Rosie mit offensichtlichem Vergnügen … „Die war für dich. Ich hatte erwogen, dir zum siebzigsten Geburtstag ein Komplett-Lifting zu schenken, aber als ich ausgerechnet habe, wie viele Sitzungen du für ein sehenswertes Ergebnis brauchen würdest, habe ich mich doch für den Callboy aus Frankfurt entschieden.“ 

Fazit: Nur über unsere Leichenist eine kurzweilige und lesenswerte, mit Humor vollgepackte Krimikomödie, die einen hoffen lässt, im Alter nicht in hornhautgelben Klamotten auf der Terrasse eines Kuchen-Cafés zu sitzen und auf dem Tod zu warten. Die Figuren machen Laune auf mehr von der W. A. R..

Leseempfehlung? Wenn man mehr zu den genannten Figuren und zu Klaus-dem-Gewissen, Schorsch, Miguel und Monika erfahren möchte – unbedingt.



Nur über unsere Leichen – Leila Emami, Fenna Williams, Zazie Chabrol

Krimikomödie

Erschienen am 12. April 2017 im Leinpfad Verlag

368 Seiten

Taschenbuch

ISBN-13: 978-3945782286

Auch in der Kindl Edition erhältlich:




„Blutzucker“ – Leif Tewes

Blutzucker – Leif Tewes
„Mit dem verbliebenen Geld aus der Kriegskasse wird deren neue Therapie für Bauchspeicheldrüsenkrebs bald marktreif. Ausgelastete Zuckerfabriken, treue Diabetiker, teure und langwierige Krebstherapien, was braucht man mehr?“

WorldFood – ein weltweit agierender Lebensmittelkonzern, der genau weiß, wie man sich seine treue Kundschaft heranzieht. Dank Paul Hartmann, ein ziemlich pfiffiger Lebensmittelchemiker, der dem Unternehmen mit seinen Ideen immer wieder zu marktführenden Positionen verhilft. Paul selber bleibt dabei völlig auf der Strecke. Aufstehen – atmen – arbeiten – schlafen. Sein persönlicher Antrieb, seine Vision aufs Leben sind vor Jahren bei der Explosion einer Autobombe mit seiner damaligen Freundin Karin gestorben. Als er auf einer Party die Journalistin Nicole kennenlernt, nimmt sein Leben unvermittelt eine Wende. Die Enthüllungsjournalistin hat sich bereits auf die Lauer gelegt, um dem Weltkonzern WorldFood und deren seltsamen Machenschaften, insbesondere die von  Manager Meininger, welcher Pauls Vorgesetzten ist, das Handwerk zu legen. Meinigner hat im Gegensatz zu Paul eine Vision, nämlich die eines Posten im Aufsichtsrat. Nicole erzeugt in Paul eine neue Vision und dieser lässt sich, zunächst noch zögerlich, auf das Abenteuer mit Nicole und deren vernichtenden Kreuzzug gegen den Lebensmittelkonzern ein.

Parallel ermittelt die Kriminalpolizei in einem Mordfall. Eine Frau wurde erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden. Ihre Identität ist nicht einfach auszumachen. Die Kommissare Berg und Landers begeben sich auf die Suche und geraten dabei in Gefahr.

Was hat ganz normaler Zucker mit einem „GRAS“-Stempel zu tun? Wie verquert ist es, dass Coca-Cola und McDonalds Antipositas-Kongresse sponsern? Vermindern kleinere Nahrungsmittel-Verpackungen auch deren Konsum?

Soziale- und auch Nachrichtenmedien kolportieren im Stundentakt neue Informationen über Gut und Böse einzelner Lebensmittel, deren Wirkungen oder auch globale Auswirkungen. Eigentlich sollte der Verbraucher aufmerksam und gut informiert sein. Ist er es wirklich? Sehen wir nicht viele Meldungen als Falschnachrichten oder Verschwörungen an? Kann der Verbraucher überhaupt das Netzwerk, welches sich hinter einem Lebensmittelkonzern verbirgt entwirren?

Blutzucker ist ein intelligenter Roman noir, der sich mit genau dieser Thematik befasst. Sehr detailreich bringt Autor Leif Tewes dem Leser nahe, welchen Stellenwert das Nahrungsmittel Zucker in der Welt hat und welches Unwesen damit nicht nur fiktiv getrieben wird.

Hauptperson Paul Hartmann ist dabei kein Held im eigentlichen Sinne. Kein James Bond, kein MacGyver oder A-Team. Leise und heimlich versucht er, der den Blick in die Zukunft verloren hatte,  mittels seines Wissen und Möglichkeiten, seine Freundin Nicole in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Er lebt auf beim Gedanken an das Risiko welches sie eingehen, ohne sich nur annähernd ausmalen zu können, was tatsächlich auf sie zukommen wird. Dabei entwickelt der sonst so konservative Chemiker Ideen, welche ihm zuvor noch Angst eingejagt hätten. Zielsicher richtet er seine Vernichtungsgelüste nicht ausschließlich auf seinen Arbeitgeber, sondern sehr speziell auch auf seinen Vorgesetzten Meininger, der sein Ziel als Aufsichtsratsmitglied noch mehr an Macht, Geld und Einfluss zu gewinnen, in Gefahr sieht und zu allen Mitteln greift, um seinem unbekannten Gegenspieler außer Gefecht zu setzen.

Mit viel psychologischen Fingerspitzengefühl bringt Leif Tewes dem Leser die einzelnen Figuren und deren Leben nahe, lässt ihn in den Politthriller eintauchen und baut einen wohldosierten Spannungsbogen auf, welcher in einem ereignis- und wendungsreichen Showdown endet.

Fazit: Ein sehr intelligenter Roman mit aktuellen, politischen Bezug, der in meinen Augen keine Wünsche offen lässt und noch nach lange nachhallt.

Leseempfehlung? Ein klares Ja.

Blutzucker – Leif Tewes


Krimi


Erschienen am 15. März 2017 im Größenwahn Verlag


250 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3957711320

ISBN-13: 978-3957711328
Auch in der Kindl Edition erhältlich:
ASIN: B06XPYLCKG

 

„Kalter Schuss ins Herz“ – Wallace Stroby

Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby


„Drei Minuten nachdem sie durch den Haupteingang gekommen war, hatte Crissa den Manager und die zwei Angestellten mit dem Gesichtern auf den Boden, die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.“

Sie kommt, räumt ab und verschwindet wieder. Crissa Stone ist Räuberin, Ganovin, Einbrecherin. Keine Femme fatale, kein Herzchen, welches auf High Heels versucht, Männern den Kopf zu verdrehen oder gar eine 130 Kilo Amazone. Crissa ist eher eine hübsche Durchschnittsfrau, die nicht aus der Masse hervorsticht und somit attraktiv-unauffällig wirkt. Sie setzt sich in ihrem „Geschäftsfeld“, einer Männerdomäne, durch. Das geht nicht immer ohne Blessuren ab. Waffen gehören zu ihrem Arbeitsmaterial, dienen zur Abschreckung und weniger dazu Menschen tatsächlich zu verletzen oder zu töten. Um einen guten Bruch zu machen nutzt sie ihr Köpfen. Kann gut abschätzen, ob sich der Einsatz tatsächlich lohnt oder ob zu viele Komplikationen auf sie warten.

Bis zu dieser Sache im Süden. Es schien nicht einfach, aber durchführbar. Etwas läuft aus dem Ruder und unversehens landet Crissa in einer Geschichte aus Rache und Gier, welche sie mit dem Leben bezahlen könnte.


Eine weibliche Räuberin, die nicht mit Reizen punktet. Schurkin, Heldin und Opfer in einer Person. Kein schießwütiges Flintenweib, keine perfekte Kampfsportmaschine, die mit ihrem kleinen Finger mehr Unheil anrichtet, als eine Herde wild gewordener Büffel. Crissa ist eine teamfähige Einzelkämpferin mit Gewissen und einer Schublade voller persönlicher Dämonen, welche sie immer wieder einholen.


„Als Casco sich vorbeugte, sein Gesicht im Safe, setzte Eddie ihm einen Fuß zwischen die Schulterblätter, um ihn dort zu halten und schoss ihm zwei Mal in den Hinterkopf.“


Womit wir bei Crissas Gegenspieler wären. Der heilige Eddie. Ein böser Bube, ohne Gewissen, welcher dem Roman erst richtig Spannung und Tempo gibt. Ihm muss sich Crissa entgegenstellen, will sie nicht ihr Leben verlieren.


„Ich mochte die Idee einer starken, aber verletzlichen Frau, die sich in einer Männerwelt behauptet“, schreibt Wallace Stroby über seine Hauptdarstellerin. Meiner Ansicht nach hat der Autor dieses perfekt getroffen und umgesetzt. Ohne Schnickschnack und Adjektiv-Heischerei bringt Wallace Stroby seine Geschichte auf den Punkt. Personen und Orte sind klar und nicht überzeichnet, so dass die Phantasie des Lesers gefordert wird und er aus den gesetzten Eckpunkten sich selbst, ohne großes Federlesen, eine Vorstellung von dem machen kann, was er gerade liest. Das liegt an Wallace Schreibstil, welcher in bester, klassischer amerikanischer Manier daher kommt. Hard-Boiled nennt sich dieses Genre, in dem die Protagonisten viele Actionreiche Szenen erleben dürfen und selbst die vermeintlich ruhigeren Abschnitte nicht ohne Spannung bleiben.


Die Geschichte ist linear erzählt aus der Perspektive des personalen Erzählers. Somit gibt es keine Rückblicke in die Vergangenheit der Figuren, es sei denn, sie erzählen davon. Der Roman ist, trotz seiner Reminiszenz an Serien wie z.B. 77th Sunset Strip, modern und aktuell, aber eben mit klassischen Motiven wie im Mafiagenre.

Leseempfehlung? Ein ausgesprochener Lesespass mit großer Sogwirkung!


Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby

Krimi

Erschienen im August 2015 im Pendragon Verlag

352 Seiten

Klappbroschur

ISBN-10: 3865324878

ISBN-13: 978-3865324870

Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B015MRKDSE

Leseprobe: http://www.weiterlesen.de/Leseprobe/Kalter-Schuss-ins-Herz/9783865325167/html

„Nichts bleibt“ – Willi Achten

Nichts bleibt – Willi Achten


„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa.
Er ist ein preisgekrönter Kriegsfotograf und hat alles an Grauen gesehen, was es in der Welt gibt. Um seine Seele zu retten oder zu reparieren, zog Franz Mathey schon vor Jahren zu seinem Vater ins Elternhaus, in einen idyllischen Wald, fern von Gewalt. Hier wuchs auch lange sein Sohn auf, der aber nach einem Unfall zur Mutter in die Schweiz zog. Als Matheys Vater Opfer einer Gewalttat wird, sinnt er auf Rache.
Kurz vorweg – dieses Buch ist nichts für sehr feinfühlige Leser. Die Kriegsszenen sind sehr eindrücklich und detailliert beschrieben!
Es ist schwierig den Einstieg in diese Rezension zu finden, da der Roman bei mir sehr viele Eindrücke interlassen hat. Zum einen ist es ein Buch, welches mit seinen Worten fern vom Mainstream, mitunter philosophischen Abschnitten geschrieben wurde. Zum anderen hat es Aspekte eines Schweden-Krimis, welche düster, grau und schwermütig daherkommen.
„Zum Schluss gesellte sich zu ihm die Zeit, die verstrich, ohne dass sie ihn heilte, ohne dass sie ihn in den Tod entlassen wollte. Eine leere vor sich hinlaufende Zeit, eine Zwischenzeit ohne jeden Sinn.“
Der ganze Roman ist ein einziges Hoffen und Bangen, da sich alles um das Thema Verlust dreht. Der Autor Willi Achten lässt seinen Hauptdarsteller selten wirklich lange entspannen und Luft holen. Selbst für den Leser ist das Unheil greifbar.
„Die Spuren zogen von dort hinaus in den Gemüsegarten, dann zum Bach. Die Fußspuren zweier Männer. Ich spürte ein Flimmern im Bauch. Jemand mochte sich verirrt haben. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Die Spuren waren noch ganz frisch.“
In seinen Beschreibungen schwenkt Achten im Leben von Manthey oft fließend von der Gegenwart in die Vergangenheit und fordert demzufolge eine erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Gegenwart wird somit durch Ereignisse in der Vergangenheit unterstrichen und Verstärkt.
„Wut ist ein Pervertin in unseren Adern, es löscht die Angst.“
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Achten, wie Matheys Leben aus dem Ruder gerät, wie seine Welt sukzessiv zusammenbricht, er sich in den Strudel der Rache hineinziehen lässt. Achten fokussiert sich auf die Grundlagen für den Showdown im Teil. Dieser beginnt zunächst entspannt, geradezu erholsam. Mathey zieht sich in die Berge zurück um zum finalen Schlag gegen seine Widersacher auszuholen. Ein Schlag, bei dem er selbst nicht genau weiß, wie er endet.
„Der Schnee schmolz. Der Winter hatte nur kurz gegrüßt. Ich intensivierte mein Training, nutzte die Zeit. Jeden Tag stieg ich 500 Höhenmeter, danach ging ich zu Fred. Er betrieb im Dorf ein Fitnessstudio.“
Fazit: Es sind die Beschreibungen und die Wortgewalt, mit denen mich Willi Achten völlig in seinen Bann gezogen hat und es schwer machten, das Buch aus der Hand zu legen.
Leseempfehlung? Zweifelsohne. Für mich war das Buch aufwühlend und mitreißend. Es fiel mir schwer, es für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Für wen?  Krimifans, welche nicht ausschließlich dem Mainstream folgen, werden hier in meinen Augen bestens bedient.
Nichts bleibt – Willi Achten
Krimi
Erschienen 201 im Pendragon Verlag
376 Seiten
Klappbroschur
ISBN-10: 3865325688
ISBN-13: 978-3865325686
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01N6XOK1V



Rezi „Der Angstmann“ – Frank Goldammer

Der Angstmann – Frank Goldammer


Heller schmeckte Asche und Blut. Kaum öffnete der den Mund, schien ihm die Zunge zu verdorren. Er konnte nur noch durch die Schlitze zwischen seinen Fingern etwas sehen. Er warf sich den Mantel über den Kopf und lief langsam vorwärts.

Dresden im Herbst 1944. Inmitten der Kriegswirren werden aufs Äußerste malträtierte Frauenleichen gefunden.

„Das war der Angstmann, nicht?“

Heller sah auf. „Der Angstmann?“

„Mutter sagt, der Angstmann geht um.“

„Der Angstmann? Wer soll das sein?“

„Fängt kleine Kinder!“ Alwin war es sehr ernst und sein Kinn zitterte.

Kriminalinspektor Max Heller kann keinem Kindergerücht glauben. Zumal es sich bei den Toten um Frauen und keine Kinder handelt. Doch so ganz lässt ihn die Geschichte nicht los. Mithilfe seines Kollegen Oldenbusch und dem Pathologen Dr. Schorrer versucht er einen Ermittlungsansatz zu finden. Eine der Toten war Krankenschwester im Hospital.

Heller ist kein Nazi. Er ist alles andere als linientreu. Der Hitlergruß widerstrebt ihm. Er ist kein einsamer Wolf. Kein Widerständler. Und doch schwimmt er mit im Strom der Politik, um seinen Kopf über Wasser halten zu können. Für sich, seine Frau Karin und seine an der Front kämpfenden Söhne.

Kein einfaches Unterfangen zumal sein Vorgesetzter, SS-Obersturmbannführer Klepp, ihn immer wieder ausbremst. Klepp, Nazi durch und durch, hält Heller immer wieder vor „das große Ganze“ weder erfassen noch verstehen zu können. Wichtig für ihn, schnellstmöglich der Gesellschaft einen Schuldigen vorsetzen zu können. Bestenfalls einen Juden, Ausländer oder sonst minderwertigen Menschen.

„Sehe Sie, Heller“, hob er plötzlich an zu sprechen und drehte sich zu den Männern um … „Wer Frösche frisst, frisst auch kleine Mädchen …“.

Hoffnungsschimmer werden zu Kondensstreifen, die schneller verschwinden als sie auftauchen.

Diesmal hatte er ihn beinahe schon gehabt. Er hatte sein Geheul gehört, gerade als der Voralarm verstummt war. „Komm“, hatte der Angstmann geflüstert. „Komm her. Komm her zu mir! Süßes hab ich für dich“, hatte er gesäuselt, „feine Sachen, süße Sachen! Komm nur, sei Liebkind.“

Inmitten der Jagd nach dem Phantom, bricht am 13. Februar 1945 der Feuersturm über Dresden und Heller los.

Das Geheul der Sirenen ebbte ab. Keine Entwarnung? Und dieses andere Geräusch, diese Vibration? War das Gewittergrollen?

Danach ist nichts mehr wie es war. Dresden, ein Hort von Ruinen und Leichen, die sich gleichermaßen hoch türmen. Hitler tot. Judikative, Legislative und Exekutive außer Kraft gesetzt. Heller ohne Job in einer russisch besetzten Stadt. Der Angstmann? Er dürfte das Inferno nicht überlebt haben. Oder doch? Heller hat das Gefühl, dass die Jagd noch nicht zu Ende ist und nimmt die Fährte mit ungewöhnlicher Hilfe wieder auf.

Plastisch und realistisch, sind die ersten Worte, die mir nach Beenden des Romans durch den Kopf schossen. Erinnerungen an die Geschichten meiner Eltern und Großmutter, die den Krieg miterlebt hatten, kamen wieder hoch. Mit viel Einfühlungsvermögen hat Autor Frank Goldammer die dunkelsten Stunden Dresden authentisch eingefangen und darin einen sehr spannenden und facettenreichen Krimi eingebettet. Als roter Faden dient ihm das Thema Angst, welche sich in der damaligen Politik und ihren Auswirkungen, dem Misstrauen gegenüber Freunden, Kollegen und Fremden äußert. Leib und Leben waren permanent in Gefahr, sei es durch Hunger und Not, als auch Repressalien seitens Neider. Einem traumwandlerischen Seiltänzer gleich, balanciert Goldammer mit der Historie und seinem Krimi. Das Gleichgewicht der beiden Romanteile ist ausgeklügelt. Eine effekthaschende Überlagerung der Kriegsgräuel weiß Goldammer geschickt auszublenden, so dass die Geschichte zu jedem Zeitpunkt rund wirkt.
Heller ist der gebremste Held des Romans, seine Frau Karin sein seelisches Ausgleichgewicht. Die weiteren Charaktere sind nicht immer gleich in Gut und Böse einteilbar. Vieles bleibt hinter einem Schleier versteckt, der sich erst mit der Zeit lüftet und dem Roman viele überraschende Wendungen verleiht. Goldammer zerrt nicht permanent am Spannungsbogen, vielmehr geleitet er den Leser geradezu mit unsichtbarer Hand durch die Geschichte, ohne dabei in ausschweifenden Beschreibungen zu verlieren und setzt Cliffhanger gekonnt ein.

Fazit: Ein hervorragender Krimi, gepaart mit dunklen historischen Ereignissen, einprägsamen Figuren und einer klaren, eindrucksvollen Sprache.

Leseempfehlung? Unbedingt, nicht nur für geschichtlich interessierte Leser.
Der Angstmann – Frank Goldammer
Kriminalroman
Erschienen am 23. September 2016 bei dtv Verlagsgesellschaft
336 Seiten
Taschenbuch

ISBN-10: 342326120X  
ISBN-13: 978-3423261203
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01GRS9NYW
und als mp3-CD, gelesen von Heikko Deutschmann
ISBN-10: 3862318303 
ISBN-13: 978-3862318308
 

Premierenlesung: „Wer mordet schon in Köln?“ mit Regina Schleheck

Tatzeit: Montag, 22. August 2016 – 20:00 Uhr
Tatort: bunker k101 – Köln
Täter: Regina Schleheck
Zeugen: WolffsBeute und diverse andere Personen
Motiv: Premierenlesung aus der Anthologie „Wer mordet schon in Köln“
Wie geschaffen, war der Ort für Regina Schlehecks Premierenlesung. Kalte und kahle Wände, leere Gänge mit diversen Nischen und einer Akustik, welche ein 8-faches Echo hervorbringen kann. Nach einem kurzen Interview für die Kölner Rundschau begrüßte Petra Bossinger, 2. Vorsitzende des Vereins „Förderkreis Hochbunker Körnerstraße 101 e. V.“, die Premierengäste und stellte die Leverkusener Autorin kurz vor. Regina Schleheck nahm den Faden dankend auf und vervollständigte mit einigen Details ihre Vita.
Kurz umriss sie den Aufbau des Buches, das nicht nur eine geschichtliche Zeitreise durch Köln ist, sondern den Leser zugleich noch mit allerlei Informationen versorgt, über Orte, Geschehnisse oder Personen, die in den Geschichten Erwähnung finden. 
Wer ist der Platzjabbeck? Was hat es mit dem Gürzenich auf sich? Wer sind die Personen?
Zu den Geschichten.
Eine rein familiäre DamenWG namens Küpper  macht den Anfang. In „Walz, Walzer, Alzersheimer“, begegnen wir Oma – die nicht mehr die Jüngste ist, Mutter Ulrike – geistig derzeit etwas auf dem falschen Gleis und  Tochter Melle – sie findet im Karnevalstrubel ein männliches Alpenexemplar. Vater? Fehlanzeige, er ward nie gesehen und auch der Großvater hat beizeiten das Zeitliche gesegnet. Losgelöst von allen Sorgen folgen Melle und ihre Eroberung einen ganzen Tag dem tollen Treiben und landen des nächtens in der Küpperschen Wohnung. Die Nacht verläuft noch ruhig, doch am kommenden Morgen steht Oma mit einem blutigen Messer in der Küche
Mit „Zwischen Hochöfen und Deutz-Tief“, greift Regina Schleheck zurück auf die Nazizeit in der Domstadt. Die Geschichte handelt von einer realen Person, dem Schulleiter der jüdischen Schule Erich Klibansky, der sich um seine Schüler sorgte und 130 Schüler vor der Deportation rettete, indem er sie nach England schickte. In der erzählten Handlung, welche rein fiktiv ist, dreht es sich um den jungen Kurt Spingelt, der von seinem ehemaligen Mitschüler Adolf die Nachricht erhält, dass dieser auf dem Weg in die USA ist. Auch Kurt wartet auf die Nachricht seiner Mutter, dass er bald Nazideutschland verlassen kann, wird aber jäh aus seinen Gedanken gerissen und zum Schulleiter zitiert, welcher ihm seltsame Fragen stellt ….

In der nun folgenden kurzen Pause, wurde vom Angebot das vorgestellte Buchs (und auch weitere Veröffentlichungen der Autorin) am Büchertisch zu erwerben und direkt signieren zu lassen, reger Gebrauch gemacht.

Nach der Pause ging es weiter mit „Vatermörder“, einer Familientragödie von illegalen Einwanderern aus Sri Lanka, erzählt aus der Sicht eines Enkels. Die Großeltern Kramer versuchen ihre Kinder mittels kleiner Betteleien über Wasser zu halten, damit diese sich nicht zu Weit in die Öffentlichkeit wagen müssen. Der Mord am Großvater und das daraus resultierende Selbstmordattentat der Großmutter werden zu einschneidenden Begebenheiten in der Familienhistorie der Kramers, so dass die Kinder ihren Lebensmittelpunkt in einem anderen Stadtviertel verlegen und versuchen neu anzufangen. Doch auch hier wächst der Samen der Rache weiter und so nimmt das Schicksal seinen Lauf

In der letzten Geschichte „Auf den Hund gekommen“, nimmt Regina Schleheck die wunderbaren, nicht immer geliebten, nachbarschaftlichen Verhältnisse auf des Pudels Kern/Korn. Was des einen Freud, ist des anderen Leid, so dass ersichtlich wird, dass nicht jeder weltoffen mit der Kultur oder den Eigenheiten seines Nachbarn umgehen kann. Hier, in dieser Geschichte, wunderbar mit den typischen  Floskeln und dem einzigartigen Liedgut der Rheinmetropolenbewohner unterstrichen. Wie nicht anders zu erwarten, wird auch hier wieder jemand unverhofft dem Tod ins Auge blicken … 

Mit begeistertem Applaus quittierte das Publikum Reginas Schlehecks Premierenlesung. Wer in der Pause noch kein Buch erworben hatte, strebte spätestens jetzt zum Büchertisch. Wieder einmal hat die Autorin mit ihren vielschichtigen Erzählungen überzeugt, welche ihr schon diverse Preise ( http://www.regina-schleheck.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=71&Itemid=321
) einbrachten. Dass ihr Ruf mitlerweile über die Grenzen von Leverkusen, Köln und NRW reicht, ist hierbei kein Wunder.

Das i-Tüpfelchen der Veranstaltung am Montagabend war dann noch die kurze Führung seitens Petra Bossinger durch den alten Hochbunker. Auch sie konnte die Gäste mit zahlreichen Informationen über die Geschichte und den Werdegang des bunker k101 unterhalten. Wer weiß schon, dass eines der noch lebenden kölschen Musik-Originale Jürgen Zeltinger – genannt De Plaat – hier mit seiner Band den ersten Proberaum bezog und mit vielen ihm folgenden Künstlern die Wände des Bunkers  beschallte.

Oder dass das Gebäude zwischenzeitlich auch mal ein Möbellager war, was einige der Wandbemalungen erklärt.

Die Veranstalung neigte sich gegen 22:30 Uhr dem Ende zu und alle waren sich einig, dass sie äußerst gelungen war.

Das Buch ist im Gmeiner Verlag erschienen unter der ISBN: 987-8392-1962-1 zu einem Preis von € 9,99 (Österreich € 10,30).

Weitere Informationen zu Regina Schleheck, ihren Veröffentlichungen und Lesungsterminen findet ihr hier:
http://www.regina-schleheck.de/index.php?option=com_content&view=article&id=207&Itemid=4 


 
 

Rezi: Bühnentod – Christian Klinger

Bühnentod – Christian Klinger


Die Wachau. Der wunderschöne ländliche Vorgarten Wiens, mit seinen pittoresken Dörfern, Wäldern und Bächen. Privatermittler Marco Martin hatte angedacht das Wochenende, nebst seiner Liebsten, hier auf Einladung des ansässigen Bürgermeisters zu verbringen. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Während der Aufführung des örtlichen Freilufttheaters, fällt der Schatten des Todes über das idyllische Bad Blumenbach.

Hin- und hergerissen zwischen Beruf und Privatleben, beginnt Marco Martin seine Ermittlungen, welche sich hinsichtlich vieler Aspekte nicht als ganz einfach erweisen. Dabei spielt sein geliebter Oldtimer nur eine Randrolle. Zu viele Fragen stehen im Raum und der betroffene Personenkreis weitet sich immer mehr aus. Oftmals trügt der Anschein und Marco Martin muss viele Steine umdrehen, bevor ein klarer Ermittlungsansatz ersichtlich wird. An einer erfolgreichen Aufklärung scheint nur ein sehr kleiner Teil der Dorfgemeinschaft interessiert zu sein. Das muss der Privatdetektiv am eigenen Leib erfahren.

In seinem nunmehr dritten Roman schliddert Christian Klingers Ermittler in das nahezu größtanzunehmende Chaos. Nichts verläuft nach Plan und egal was er anpackt, nichts will Marco Martin gelingen.
Mittelpunkt der Geschichte ist das Thema Beziehung. Wer steht zu wem in welchem Verhältnis? Chef – Angestellter, Freund – Freundin, Eltern – Kinder? Die daraus resultierenden Geschehnisse machen den Krimi in vieler Hinsicht sehr facettenreich. 
An manchen Stellen möchte man denken, dass Christian Klinger dem Leser zu einfache Hinweise zur Lösung des Rätsels gibt. Doch nicht jede dieser Fährten darf man vertrauen. Die Aufklärung erfolgt und wird beim Leser den einen oder anderen Aha-Effekt auslösen.

Jetzt lief Martins Gesicht rot an wie ein Hummer im Siedewasser. „Was meinst du?“
„Jederwaß des, nur ned du und anja. Sogar deine Eltern hams gwusst.“
Martin breitete seine Arme wie Pontius Pilatus aus. „Ja, deswegen war j auch unser Verhältnis gestört. Aber wahrscheinlich bin ich es, der gestört ist. Ich gehör zum Psychiater oder am besten gleich in die Klapse.“
Der Onkel klopfte ihm auf die Schulter. „Mach dir kane Sorgen, du bist ganz normal.“
„Wenn ein Mann auf seine Schwester steht, das findest du normal?“

Fazit: Dieser Krimi ist mehr als sonst wert aufmerksam gelesen zu werden. Kurz und gut – a leiwande Kriminalg‘schichtn – wie der Wiener sagen würde.


Leseempfehlung? Natürlich!

Für wen? Freunde des Regional-/Österreich-Krimis mit Freunde am Dialektlesen. 
 

Reinlesen? https://www.amazon.de/B%C3%9CHNENTOD-Marco-Martins-dritter-Fall/dp/3901392572#reader_B012U7BHBQ

Bühnentod – Christian Klinger
Krimi
Erschienen: 27. Juli 2015 bei Steinverlag GmbH
274 Seiten
Broschiert 
ISBN-10: 3901392572
ISBN-13: 978-3901392573
Auch in der Kindl Edition zu erhalten.
ASIN: B012U7BHBQ