„Das Apfelblütenfest“ – Carsten S. Henn

Das Apfelblütenfest – Carsten Sebastian Henn
Frankreich – vor 24 Jahren.
Der kleine Jules Lignier möchte seinen Vater wieder glücklich sehen und versucht mittels einer etwas anderen Annonce eine Frau für ihn zu finden. Sein Komplize ist ein mächtiger Baum mit Namen Louis XIV.
Frankreich – heute.
Im beschaulichen Örtchen Villers-sur-Mer betreibt der erwachsene und alleinlebende Jules Lignier, auf dem Landgut seiner Familie, neben einer Apfelplantage einen Cidre und Calvados Hof. Die Geschäfte könnten besser laufen, doch ein Hoffnungsschimmer ist in Sicht.
Gleichzeitig liest eine junge Heilpraktikerin mit Namen Lilou Leflaive jene Worte, die der kleine Junge vor Jahrzehnten in den Baum geritzt hat. Da sie eine weitere Einnahmequelle benötigt, mach sie sich auf den Weg zu Jules Hof. Es dauert eine Weile, doch sie lernen sich kennen. Der verbissene Jules und die lebensfrohe Lilou – kein Paar auf welches man wetten möchte. Wie ein Schiff in einem Sturm, schaukelt die Beziehung der beiden im Wellengang der Gefühle. Durch Jules Geheimniskrämerei jederzeit gefahrlaufend zu kentern.
Ich kann nicht anders. Es ist völlig kitschig, aber wenn es irgendwo zutrifft, dann hier:
Das Apfelblütenfest ist wie eine warme Sommerbriese auf nackter Haut. Es prickelt, es lullt einen ein und hinterlässt eine Gänsehaut.
Eigentlich könnte man es schon genauso stehen lassen, wenngleich es dem Roman nicht gerecht werden würde. Denn er ist viel mehr. Er ist Anschauungsunterricht für zwischenmenschliche Kommunikation und macht deutlich, dass Handlungen unterschiedliche Interpretationen zulassen.

Er kann nicht anders. Carsten Henn kann eine Geschichte nicht erzählen, ohne auch etwas Kulinarisches darin zu verpacken, wie in diesem Fall Calvados, bzw. Cidre. Aber es bildet nur das Gerüst, welches eine wunderbare Lovestory beinhaltet, die geradezu gemacht ist, um sich in Urlaubsträumereien zu verlieren. Henn schafft es mit seinen Beschreibungen, dass man das Meer riechen, den Calvados schmecken und den Wind hören kann. Fast greifbar ist die Spannung und Anziehung zwischen Lilou und Jules, die innerhalb ihrer Gefühlswelt immer wieder völlig hin und her gerissen werden. Jules, der sich vehement gegen alles wehrt, was Nähe und Zärtlichkeit beinhaltet und Lilou, die für alles offen ist, sich treiben lässt und dafür manchmal einen hohen Preis zahlen muss.
Es ist ein Roman der atmet. Er atmet mal tief, mal flach. Er lebt. Er hinterlässt ein wohliges Gefühl mit einem Schuss Schnappatmung. Und manchmal auch Fassungslosigkeit. Über die Trägheit mancher Figuren, ihre Unbeweglichkeit in bestimmten Situationen, die wiederum die Geschichte vorantreibt und ihr Wendungen gibt, die Spannung erzeugt. Im Grunde ein Roman, wie ein reales Leben, in dem eben nicht alles läuft, wie man es plant, da im Hintergrund das Schicksale vor Lachen vom Stuhl kippt und immer wieder alles auf Null setzt. Und das macht Das Apfelblütenfest zu einem Roman, der alles andere als voraussehbar und statisch ist.
Fazit: Ja, es ist ein Liebesroman und ja, er ist zuweilen klebrig süß und rosarot und doch findet er meiner Meinung nach eine gute Balance zu Realität. Das Apfelblütenfest ist eine Geschichte, die erzählt werden muss, weil sie so ist, wie sie ist und immer wieder Hoffnung gibt.
Leseempfehlung? Definitiv!


Das Apfelblütenfest – Carsten S. Henn
Roman
Erschienen am 01. März 2016 bei Pendo im Piper Verlag
352 Seiten
Hardcover
ISBN-13: 978-3-86612-386-1
Auch in der Kindl Edition erhältlich:
ASIN: B01860TPZG

„Blutzucker“ – Leif Tewes

Blutzucker – Leif Tewes
„Mit dem verbliebenen Geld aus der Kriegskasse wird deren neue Therapie für Bauchspeicheldrüsenkrebs bald marktreif. Ausgelastete Zuckerfabriken, treue Diabetiker, teure und langwierige Krebstherapien, was braucht man mehr?“

WorldFood – ein weltweit agierender Lebensmittelkonzern, der genau weiß, wie man sich seine treue Kundschaft heranzieht. Dank Paul Hartmann, ein ziemlich pfiffiger Lebensmittelchemiker, der dem Unternehmen mit seinen Ideen immer wieder zu marktführenden Positionen verhilft. Paul selber bleibt dabei völlig auf der Strecke. Aufstehen – atmen – arbeiten – schlafen. Sein persönlicher Antrieb, seine Vision aufs Leben sind vor Jahren bei der Explosion einer Autobombe mit seiner damaligen Freundin Karin gestorben. Als er auf einer Party die Journalistin Nicole kennenlernt, nimmt sein Leben unvermittelt eine Wende. Die Enthüllungsjournalistin hat sich bereits auf die Lauer gelegt, um dem Weltkonzern WorldFood und deren seltsamen Machenschaften, insbesondere die von  Manager Meininger, welcher Pauls Vorgesetzten ist, das Handwerk zu legen. Meinigner hat im Gegensatz zu Paul eine Vision, nämlich die eines Posten im Aufsichtsrat. Nicole erzeugt in Paul eine neue Vision und dieser lässt sich, zunächst noch zögerlich, auf das Abenteuer mit Nicole und deren vernichtenden Kreuzzug gegen den Lebensmittelkonzern ein.

Parallel ermittelt die Kriminalpolizei in einem Mordfall. Eine Frau wurde erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden. Ihre Identität ist nicht einfach auszumachen. Die Kommissare Berg und Landers begeben sich auf die Suche und geraten dabei in Gefahr.

Was hat ganz normaler Zucker mit einem „GRAS“-Stempel zu tun? Wie verquert ist es, dass Coca-Cola und McDonalds Antipositas-Kongresse sponsern? Vermindern kleinere Nahrungsmittel-Verpackungen auch deren Konsum?

Soziale- und auch Nachrichtenmedien kolportieren im Stundentakt neue Informationen über Gut und Böse einzelner Lebensmittel, deren Wirkungen oder auch globale Auswirkungen. Eigentlich sollte der Verbraucher aufmerksam und gut informiert sein. Ist er es wirklich? Sehen wir nicht viele Meldungen als Falschnachrichten oder Verschwörungen an? Kann der Verbraucher überhaupt das Netzwerk, welches sich hinter einem Lebensmittelkonzern verbirgt entwirren?

Blutzucker ist ein intelligenter Roman noir, der sich mit genau dieser Thematik befasst. Sehr detailreich bringt Autor Leif Tewes dem Leser nahe, welchen Stellenwert das Nahrungsmittel Zucker in der Welt hat und welches Unwesen damit nicht nur fiktiv getrieben wird.

Hauptperson Paul Hartmann ist dabei kein Held im eigentlichen Sinne. Kein James Bond, kein MacGyver oder A-Team. Leise und heimlich versucht er, der den Blick in die Zukunft verloren hatte,  mittels seines Wissen und Möglichkeiten, seine Freundin Nicole in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Er lebt auf beim Gedanken an das Risiko welches sie eingehen, ohne sich nur annähernd ausmalen zu können, was tatsächlich auf sie zukommen wird. Dabei entwickelt der sonst so konservative Chemiker Ideen, welche ihm zuvor noch Angst eingejagt hätten. Zielsicher richtet er seine Vernichtungsgelüste nicht ausschließlich auf seinen Arbeitgeber, sondern sehr speziell auch auf seinen Vorgesetzten Meininger, der sein Ziel als Aufsichtsratsmitglied noch mehr an Macht, Geld und Einfluss zu gewinnen, in Gefahr sieht und zu allen Mitteln greift, um seinem unbekannten Gegenspieler außer Gefecht zu setzen.

Mit viel psychologischen Fingerspitzengefühl bringt Leif Tewes dem Leser die einzelnen Figuren und deren Leben nahe, lässt ihn in den Politthriller eintauchen und baut einen wohldosierten Spannungsbogen auf, welcher in einem ereignis- und wendungsreichen Showdown endet.

Fazit: Ein sehr intelligenter Roman mit aktuellen, politischen Bezug, der in meinen Augen keine Wünsche offen lässt und noch nach lange nachhallt.

Leseempfehlung? Ein klares Ja.

Blutzucker – Leif Tewes


Krimi


Erschienen am 15. März 2017 im Größenwahn Verlag


250 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3957711320

ISBN-13: 978-3957711328
Auch in der Kindl Edition erhältlich:
ASIN: B06XPYLCKG

 

„Nichts bleibt“ – Willi Achten

Nichts bleibt – Willi Achten


„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa.
Er ist ein preisgekrönter Kriegsfotograf und hat alles an Grauen gesehen, was es in der Welt gibt. Um seine Seele zu retten oder zu reparieren, zog Franz Mathey schon vor Jahren zu seinem Vater ins Elternhaus, in einen idyllischen Wald, fern von Gewalt. Hier wuchs auch lange sein Sohn auf, der aber nach einem Unfall zur Mutter in die Schweiz zog. Als Matheys Vater Opfer einer Gewalttat wird, sinnt er auf Rache.
Kurz vorweg – dieses Buch ist nichts für sehr feinfühlige Leser. Die Kriegsszenen sind sehr eindrücklich und detailliert beschrieben!
Es ist schwierig den Einstieg in diese Rezension zu finden, da der Roman bei mir sehr viele Eindrücke interlassen hat. Zum einen ist es ein Buch, welches mit seinen Worten fern vom Mainstream, mitunter philosophischen Abschnitten geschrieben wurde. Zum anderen hat es Aspekte eines Schweden-Krimis, welche düster, grau und schwermütig daherkommen.
„Zum Schluss gesellte sich zu ihm die Zeit, die verstrich, ohne dass sie ihn heilte, ohne dass sie ihn in den Tod entlassen wollte. Eine leere vor sich hinlaufende Zeit, eine Zwischenzeit ohne jeden Sinn.“
Der ganze Roman ist ein einziges Hoffen und Bangen, da sich alles um das Thema Verlust dreht. Der Autor Willi Achten lässt seinen Hauptdarsteller selten wirklich lange entspannen und Luft holen. Selbst für den Leser ist das Unheil greifbar.
„Die Spuren zogen von dort hinaus in den Gemüsegarten, dann zum Bach. Die Fußspuren zweier Männer. Ich spürte ein Flimmern im Bauch. Jemand mochte sich verirrt haben. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Die Spuren waren noch ganz frisch.“
In seinen Beschreibungen schwenkt Achten im Leben von Manthey oft fließend von der Gegenwart in die Vergangenheit und fordert demzufolge eine erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Gegenwart wird somit durch Ereignisse in der Vergangenheit unterstrichen und Verstärkt.
„Wut ist ein Pervertin in unseren Adern, es löscht die Angst.“
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Achten, wie Matheys Leben aus dem Ruder gerät, wie seine Welt sukzessiv zusammenbricht, er sich in den Strudel der Rache hineinziehen lässt. Achten fokussiert sich auf die Grundlagen für den Showdown im Teil. Dieser beginnt zunächst entspannt, geradezu erholsam. Mathey zieht sich in die Berge zurück um zum finalen Schlag gegen seine Widersacher auszuholen. Ein Schlag, bei dem er selbst nicht genau weiß, wie er endet.
„Der Schnee schmolz. Der Winter hatte nur kurz gegrüßt. Ich intensivierte mein Training, nutzte die Zeit. Jeden Tag stieg ich 500 Höhenmeter, danach ging ich zu Fred. Er betrieb im Dorf ein Fitnessstudio.“
Fazit: Es sind die Beschreibungen und die Wortgewalt, mit denen mich Willi Achten völlig in seinen Bann gezogen hat und es schwer machten, das Buch aus der Hand zu legen.
Leseempfehlung? Zweifelsohne. Für mich war das Buch aufwühlend und mitreißend. Es fiel mir schwer, es für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Für wen?  Krimifans, welche nicht ausschließlich dem Mainstream folgen, werden hier in meinen Augen bestens bedient.
Nichts bleibt – Willi Achten
Krimi
Erschienen 201 im Pendragon Verlag
376 Seiten
Klappbroschur
ISBN-10: 3865325688
ISBN-13: 978-3865325686
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01N6XOK1V



„Das Rosie-Projekt“ – Graeme Simsion

Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion


Was passiert, wenn ein Mann die Frau fürs Leben sucht? Vielleicht nutzt er eines der bekannten Dating Portale und trifft sich mit verschiedenen Kandidatinnen, in der Hoffnung Mrs. Right befindet sich darunter. Was aber macht ein Mann, mit eher gehemmter Empathie, mit festen Lebensritualen und sehr konkreten Vorstellungen, einem Nerd, dem funktionale Kleidung wichtiger als formale ist? Er entwirft einen sehr genauen Fragebogen, um damit die Frau zu finden, welche 100%ig zu ihm passt. Im Grunde genommen eine schöne Idee, um schon im Anfangsstadium die Spreu vom Weizen zu trennen. Raucherin? Niemals. Vegetarierin? Auch schwierig. Unflexibel bei der Auswahl einer Eissorte? Unvorstellbar. Unpünktlich? Nein, danke. Don Tillman ist Professor für Genetik. Er sucht Mrs. Right mittels eines 16-seitigen Fragebogens, der ebendiese Fragen abklärt und sich schnell als eher hinderlich als hilfreich erweist. Dann trifft er auf Rosie, die rätselt, wer ihr leiblicher Vater ist. Was bietet sich für die Barkeeperin besser an, als die Hilfe eines Genetikers in Anspruch zu nehmen? Da Rosie notorisch unpünktlich ist, eher nachts als tagsüber arbeitet, raucht und Vegetarierin ist, sind zwischenmenschliche Dinge, welche über eine Bekanntschaft hinausgehen völlig ausgeschlossen …
„Ich bin neununddreißig Jahre alt, groß, durchtrainiert und intelligent, mit relativ hohem gesellschaftlichem Status und überdurchschnittlichem Einkommen als Assistenzprofessor. Gemäß den Gesetzen der Logik sollte ich für eine ganze Reihe von Frauen attraktiv sein. Im Reich der Tiere würde ich mich erfolgreich vermehren. Offenbar jedoch habe ich etwas an mir, das Frauen unattraktiv finden.“
Es gibt sie, die vielschichtigen Geschichten über das Leben von Autisten. Wie in Rain Man werden Klischees an Land gezogen und minutiös dem Leser als typisch verkauft. Autisten sind verschlossen, körperfern gegenüber Mitmenschen und benötigen einen perfekten, abweichungsfreien Tagesablauf.  Der von Autor Graeme Simsion in der Ich-Version erzählende Protagonist Don ist Asperger Autist, allerdings ohne Diagnose. Er selbst hält sich für anders, sieht aber selber keinen Zusammenhang mit den aufgezeigten Syndromen. Er weist auf den ersten Blick, die landläufig als typisch bezeichneten Asperger Merkmale auf und zeigt doch in der Interaktion mit ihm vertrauten Menschen oder Situationen ein gutes Maß an Flexibilität. Eine hervorragende Grundlage für den Roman.
In lockeren, aber auch nachdrücklichen Kapiteln erzählt uns Simsion die Entwicklung einer ganz besonderen Beziehung, welche man klar mit „Gegensätze ziehen sich an“ definieren kann. Ohne in gnadenlosen Slapstick zu verfallen, schildert er das oft komische Scheitern von Don in der normalen Gesellschaft oder auch Rosies grob anmutendes Verhalten ihm gegenüber. Es entwickelt sich beim Leser eine große Sympathie für die beiden, so dass sich der Roman zu einem leichtfüßiger Pagetuner entwickelt, den man nur ungern aus der Hand legt. Rosie ist alles andere als empathielos, im Gegenteil, ohne es manchmal selbst zu wissen, wirkt sie mit viel Gefühl auf Don ein und gibt ihm neue Impulse oder Nachhilfe in Alltagssituationen.
„Während sie mit meinem …“, hier hob Rosie die Hände und bewegte ihre beiden Zeige- und Mittelfinger zweimal kurz nach unten, „… Vater zusammen war. Mein richtiger Vater ist ein Arzt. Ich weiß nur nicht, welcher. Das kotzt mich wirklich an.“
Diese Handbewegung faszinierte mich, und ich schwieg eine Weile, um ihren Sinn zu ergründen. War es ein Zeichen von Unmut gewesen, weil sie ihren richtigen Vater nicht kannte? Wenn ja, so hatte ich diese Geste noch nie gesehen. Und warum hatte sie gerade diesen Moment gewählt, um ihren Unmut zu bekunden … natürlich! Als Satzzeichen!
„Anführungszeichen“, sagte ich laut, als es mir aufging.
„Was?“
„Sie haben Anführungszeichen um >Vater< gesetzt, um darauf hinzuweisen, dass das Wort nicht die üblichen Bedeutung hat. Sehr clever.“
„Sie sind ein echter Einstein“, kommentierte Rosie.
Fazit: Das Rosie-Projekt ist ein liebenswert, nicht ohne Tiefgang geschriebener Roman, mit einer gehörigen Portion Humor.
Leseempfehlung? Klar.
Für wen? Thriller-Liebhaber werden hier ebenso wenig auf ihre Kosten kommen wie Leser von Fachbüchern. Ansonsten heißt es – lesen und herausfinden.



Das Rosie-Projekt – Graeme Simsion
Roman
Erschienen Februar 2015 im Fischer Taschenbuchverlag
367 Seiten
Taschenbuch
ISBN-10: 3596197007
ISBN-13: 978-3596197002
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B00F9NGOWQ

„Die Filmerzählerin“ – Hernán Rivera Letelier

Die Filmerzählerin – Hernán Rivera Letelier
Zu Hause waren wir fünf Geschwister. Vier Jungs und ich.

Als mein Vater auf die Idee mit dem Wettbewerb kam, war ich zehn Jahre alt und in der dritten Klasse Grundschule. Seine Idee bestand darin, uns nacheinander ins Kino zu schicken und uns dann den Film erzählen zu lassen. Wer ihn am besten erzählte, würde jedes Mal gehen dürfen, wenn ein guter Film lief

Darf ich vorstellen? Maria Margarita, Tochter eines behinderten Minenarbeiters in der chilenischen Atacama-Wüste. Die Mutter hat sich beizeiten aus dem Staub gemacht, um nicht den Rest ihres jungen Lebens fünf Kinder und einen gelähmten Gatten mittels einer spärlichen Invalidenrente durchzubringen.

Da kein Geld vorhanden ist, dem Vater seine tägliche Weinration zuzugestehen und alle Kinder ins Kino zu schicken, kommt dem Vater die Idee, des Wettbewerbs zum Filmerzähler. Obwohl die jüngste in Bunde, setzt sich Maria Margarita durch und versorgt von nun an, zunächst nur die Familie, dann einige Nachbarn und schlussendlich fast das ganze Dorf mit ihren grandiosen Nacherzählungen der Kinofilme.

Das Buch von Autor Hernán Rivera Letelier ist mir durch Zufall auf einem Flohmarkt in die Hand gefallen. Es ist ein kleines, schmales Buch von etwas mehr als 100 Seiten, was dem Roman keinen Abbruch tut. Letelier versetzt sich in eine Zehnjährige, die selbst über ihr Talent überrascht ist und darin ihre Zukunft sieht. Mit viel Empathie, einer großen Portion Humor und Situationskomik, aber auch Wehmut, darf der Leser dem Leben der Hauptdarstellerin in anschaulicher Weise folgen. Dass der Roman ein wenig dahin plätschert hat mich dabei wenig gestört. Es gibt keinen riesigen Spannungsbogen, keine Schenkelklopfer oder poetischen Meisterleistungen und doch ist es ein eher leises, lesenswertes Buch, welchem nicht an Realismus fehlt. Es bringt einem das Sprachgefühl einer anderen Kultur näher – ein Perspektivwechsel.

Wer sich mit dem Autor Letelier befasst, wird schnell erkennen, dass seine Geschichten nicht reiner fiktiver Natur sind, sondern oftmals seinem Leben entnommen sind. Zum Schreiben kam er aus reiner Not. Ein Radiosender hatte einen Wettbewerb zu einem Gedicht ausgerufen, dessen erster Preis ein Essen in einem teuren Restaurant war. Letelier schrieb ein vierseitiges Liebesgedicht, gewann und ist bis dato kein unbekannter in der spanisch schreibenden Literaturgemeinde.

Fazit: Für mich ein überraschendes Kleinod. Eine Geschichte, die nicht mehr als knapp 100 Seiten braucht um einen in kurzer Zeit in eine weit entfernte, andersartige Welt zu entführen. Eigentlich ein schöner Stoff, um daraus einen Film zu machen, der in Programmkinos seine Fans finden würde.

Leseempfehlung? Ja. Mich hat die der Roman zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Er ist eine perfekte kurze Ablenkung vom lärmenden, hektischen Alltag. Letelier bringt Dinge auf den Punkt, bedient sich dabei einer klaren Sprache ohne viele Schnörkel, aber mit leiser Hintergrundmelodie.

Die Filmerzählerin – Hernán Rivera Letelier

Roman


Erschienen am 21. Februar 2011 im Insel Verlag


104 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3458358226

ISBN-13: 978-3458358220


Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B007THNCR0

Leseprobe: 
 

„Der Kirmesmörder Jürgen Bartsch“ – Regina Schleheck

Der Kirmesmörder Jürgen Bartsch
In den 1960er Jahren verschwanden immer wieder Jungs in der Region Essen von Kirmesplätzen. Der Täter – Jürgen Bartsch. Er lockte die meist 12-14jährigen Jungs unter Vorwänden in einen alten Stollen, wo er sich an ihnen verging, sie quälte und tötete.


Eine wahre Geschichte, der sich Regina Schleheck in ihrem ersten Roman angenommen hat. Bücher über Jürgen Bartsch uns seine Taten gibt es schon mehr als genug – Tatsachenberichte, Analysen, Betrachtungen. Sich dem Thema aus Warte von eventuell beteiligten Personen, auf rein fiktionaler Ebene anzunehmen, ist neu. In ihrem biografischen Kriminalroman erzählt Regina Schleheck die damaligen Geschehnisse aus dem Blickwinkel mehrerer Beteiligter. Unter anderem kommen  Bartschs Opfer zu Wort. Des Weiteren schlüpft Regina Schleheck in die Erzählrolle von Personen, welche im Grunde keine Position im näheren Umfeld von Jürgen Bartsch einnahmen, sondern die Ereignisse durch die Zeitung oder Hörensagen wahrnahmen.


Die dabei von Regina Schleheck eingenommenen Erzählpositionen sind messerscharf skizziert. Man entwickelt schnell Ablehnung oder auch Verständnis für die einzelnen Personen. Die Gefühlsregungen sind klar und eindringlich beschrieben und im Fall von Jürgen Bartschs Opfern mehr als erschreckend. Wie in ihren sonstigen Kurzgeschichten hat sich Regina Schleheck sprachlich tief auf die entsprechenden Charaktere  eingelassen. Ganz klar sind die verbalen Grenzen von Kindern und derer einer einfachen Arbeiterin getrennt, was den Leser noch nachdrücklicher in die Geschichte eindringen lässt.


Die Hintergründe, warum wurde aus dem Adoptivkind Jürgen Bartsch ein gefährlicher Soziopath und Mörder, werden in diesem Buch natürlich ebenfalls beleuchtet. Die der Autorin zur Verfügung stehenden Quellen, wurden hierbei in meinen Augen sehr gut genutzt. Man entwickelt eine Form von Verständnis für den Täter, was den Leser aber auch in einen persönlichen Interessenskonflikt bringt, spätestens dann, wenn sich Bartsch den Jungs „widmet“.


Fazit: Ein für mich sehr lesenswertes Buch, welches mich oft nachdenklich stimmte und auch erschreckte.

Leseempfehlung: Nichts für sehr zartbesaitete  Leser, aber in jedem Fall ein hoch spannendes Buch mit viel Empathie und Einfühlungsvermögen geschrieben. Also ein hochverdientes JA.



Der Kirmesmörder Jürgen Bartsch – Regina Schleheck


Biografischer Kriminalroman


Erschienen: 03. August 2016 im Gmeiner Verlag


Taschenbuch


244 Seiten


ISBN-10: 3839219396

ISBN-13: 978-3839219393
Leseprobe: 


Rezi „Der David ist dem Goliath sein Tod“ – Torsten Sträter

Der David ist dem Goliath sein Tod – Torsten Sträter
Warum ist der David dem Goliath sein Tod?

Macht ein Praktikum in einem Sonnenstudio Sinn?

Wer verdammt nochmal ist Bumsgut Krombacher?


Herzlich willkommen im Sträter Universum. Einem ausgesprochen unterhaltsamen Platz, wo Kaffee fair behandelt wird und die Pest sich als Süßware enttarnt. Sträters Episoden über Familie und Nachbarschaft, seine jungen Leiden hinsichtlich Sex und Computerspiele sind schon eine Nummer für sich. Wirklichkeit und Fiktion bilden in seinen Geschichten nahtlose Übergänge. Wie einst Ephraim Kishon oder Erma Bombeck balanciert er hierbei auf einem schmalen Grat der Absurdität, welches gepaart mit seinem unverkennbaren Ruhrpott-Hochdeutsch eine geniale Mischung bildet. Der Mann hat bei der Vergabe des Humors einfach mehrfach hier gebrüllt. Ein Humor der sich sowohl im platten aber pointierten Wortwitz niederschlagen kann, als auch hintergründig daher schleicht, wobei er dem Publikum gerne mit einem bubenhaften Schmunzeln die Zeit gibt, den Witz zu verstehen.


„Kommt der Zander raus?“

Das war vielleicht ein wenig leger formuliert, dachte ich.

Drei Sekunden Stille.

Dann hörten wir: „UND OB!“

Den schweren Schritten nach, die da aus dem vierten Stock zu uns runterpolterten, fühlte sich Achims Vater angesprochen. Das war irgendwie nett, wenn man bedachte, dass er Nachtschicht gehabt hatte.

Uwe wurde ziemlich fahl. Aber Rückzug war keine Option. Andy murmelte absolut entspannt, fast meditativ: „Ich glaub, ich piss mir in die Hose.“

Dann war Rübezahl unten angekommen. Er ergriff Uwe am T-Shirt: „WISST IHR KLEINEN ÄRSCHE, WAS NACHTSCHICHT BEDEUTET? WISST IHR, WAS DAS HEISST? SCHLAF?“

Uwe sagte: „Kommt der Achim raus?“

„GLEICH HAT DER ARSCH KIRMES!“

„Der Achim“, hakte Uwe nach, „kommt der raus?“

Eine Stimme von oben: „DER HAT NEUN SEITEN PHYSIK, ACHT BLÖCKE BRUCHRECHNEN UND ´N AUFSATZ AUF!“

„Echt?“

„Jou!“

„Kann der sich bei dem Gebrüll überhaupt konzentrieren?“


Sehen wir es einmal ganz klar. Torsten Sträter ist ein Kind im Körper eines Kerls, mit dem Vokabular irgendwo zwischen Shakespeare und Marvel-Comics und einer Stimme, die Steine zum Schmelzen bringt. Ich bekenne hiermit freimütig – ich bin ein Sträter Groupie.


Fazit: Das war nicht mein letztes Buch von Torsten Sträter.

Leseempfehlung: Unbedingt, denn Lachen bringt Farbe ins Leben.

Warnung: Begegnet Sträter besser nicht, wenn eine Diät macht oder in Erinnerungen an den „Braunen Bär“ schwelgt.


So. Das war es. Schicht im Schacht.



Der David ist dem Goliath sein Tod – Torsten Sträter

Kurzgeschichten


Erschienen am 05. Dezember 2014 im Ullstein Verlag


192 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3548375359

ISBN-13: 978-3548375359


Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B005OP2W5W





Rezi „Patientenrache“ – Olaf Jahnke

Patientenrache – Olaf Jahnke


Überfälle auf Mitarbeiter einer Versicherung im Rhein-Main-Gebiet bringen deren Vorgesetzen auf den Plan, neben der Polizei auch einen privaten Ermittler einzuschalten. Die Wahl fällt auf Roland Bernau, einem ehemaligen BKA Beamten. Die Gemeinsamkeiten in den Überfällen ist ein Motorrad nebst schwarz gekleideten Fahrer und Sozius. Bernau beginnt seine Ermittlungen im Bereich medizinischer Rechtsfälle, in denen die ersten beiden Opfer tätig waren. In den Vordergrund gerät das Thema Kunstfehler, als ein ehemaliger Chefarzt und Gutachter gewaltsam den Tod findet. Auch hier wieder waren ein Motorrad und zwei schwarz gekleidete Personen beteiligt. Bernau weiß, dass er auf der richtigen Spur ist, erlebt aber immer wieder herbe Rückschläge.

Krimis, die sehr persönliche Motive angehen, erfahren eine diffizile Wahrnehmung beim Leser. Kunstfehler sind ein solches Thema, denn niemand ist vor ihnen gefeit. Es kann sowohl alt als auch jung, arm oder reich treffen.

  •  Verwechslungen von Patienten
  • fehlerhafte Übergaben  an andere Abteilungen im Krankenhaus
  • Halbgötter in Weiß, die über Wohl und Weh eines einzelnen entscheiden
  • resistente Viren, hervorgerufen durch schlechte Hygiene, basierend auf einer unmenschlichen Sparpolitik, welche einen geschwächten Körper den Garaus machen können.

Die Liste ist lang. Nicht immer kann man jemanden zur Verantwortung ziehen, denn der Weg durch die Instanzen ist steinig und am Ende steht vielleicht ein Betrag, ein Schmerzensgeld, das Versicherung oder Gericht für angemessen halten. Logische Konsequenz – Bernau schaut sich die Patienten, welche mit der Versicherung bezüglich Schadenersatz in Kontakt waren, genauer an und macht erstaunliche Entdeckungen.

Trotz eines derart brisanten und aufreibenden Themas, kann ein Roman Ruhe ausstrahlen, ohne dabei Strecken zu entwickeln. Geschickt switcht Olaf Jahnke in der Geschichte zwischen Beruf und Privatleben Bernaus hin und her. Patientenrache ist kein Krimi im Stroboskoplicht, sondern ein fließend, mit Spannungspunkten durcherzählter Roman. Dabei setzt Jahnke sowohl seine Darsteller, als auch die Schauplätze lebendig in Farbe, um ein Eintauchen in die Szenerien zu ermöglichen. Für Ortskundige sicher mit hohem Wiedererkennungswert. Jahnke lässt seinen Hauptdarsteller mehr als einmal vor die Wand laufen – manchmal mit der Wirkung, dass Bernau seine Gedanken sammelt und einen neuen Weg einschlägt. So dass er ihn damit hinsichtlich dem Ende der Geschichte ganz schon in die Bredouille bringt.

Fazit: Das Lesen des Romans löste bei mir Betroffenheit aus, da sich man klar sein muss: Jeder ist irgendwann einmal Patient – früher oder später.

Leseempfehlung? Für Krimifans ganz klar eine lesenswerte Geschichte.

Patientenrache – Olaf Jahnke

Kriminalroman

Erschienen am 08. September 2016 im Größenwahnverlag

300 Seiten

Taschenbuch

ISBN-10: 3957711045

ISBN-13: 978-3957711045

Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B01L7HJGV8
 

Rezi „Der Duft des Oleanders“ – Silvija Hinzmann

Der Duft des Oleanders – Silvija Hinzmann

Jäger, ein deutscher Journalist, treibt tot im Pool eines Hotels auf der istrischen Insel St. Katharina. Lucas tierischer Begleiter findet etwas Unerwartetes auf der Trüffelsuche und Joe Prohaska, ein ehemaliger deutscher Kriminalhauptkommissar, hilft einem jungen Mann, der  Ofer eines Angriffs wird. Zufälle? Joe Prohaska will es herausfinden, wird aber das ein oder andere Mal abgelenkt – von Nora, einer Frau, die ein Geheimnis umhüllt.

„Der Krieg hat einen langen Arm“. 

Ehemalige Kriegsschergen der Balkankriege leben heute ein unbehelligtes, nicht immer legales Leben. Ihre Opfer haben sie vergessen, doch die Opfer haben die Taten in Erinnerung und sinnen auf Rache. Ein schwelender Konflikt, der die Narben der Vergangenheit stetig wieder aufreißt und ein Volk nicht zur Ruhe kommen lässt.

Silvija Hinzmanns Balkan-Krimi setzt genau hier an. Als gebürtige Kroatin und Gerichtsübersetzerin kennt sie nicht nur ebenjenen von ihr beschrieben Landstrich an der Istrischen Küste ausgezeichnet, sondern kam im Rahmen ihrer Tätigkeit als Gerichtsübersetzerin häufig mit den Opfern von Gräueltaten, welche in Zeiten des Balkankrieges herrschten, in Kontakt.

Herausgekommen ist dabei ein Roman, fern von Effekthascherei, der sowohl die Schönheit des beschriebenen Landstriches aufzeigt, als auch die Vergangenheit des Landes, welche nicht einfach unter dem neugewachsenen Gras verschwindet.

Dreh- und Angelpunkt ist Joe Prohaska, der viele Eigenschaften seiner beiden Heimaten Deutschland und Kroatien verein. Seine Vergangenheit als ehemaliger Beamter und jetziger Frührentner ist dabei sowohl Fluch als auch Segen. Er weiß, wie die Menschen in diesem Landstrich ticken, wem sie sich anvertrauen oder nicht. Manchmal wirkt er wie ein einsamer Wolf, der alleine, jedoch nicht einsam, durchs Leben geht. Wenige gute Freunde und die Liebe zur Fotografie seiner Heimat zeichnen sein beschauliches Leben, bis alles durcheinander gerät. Unmöglich, vor den Geschehnissen die Augen zu verschließen, ermittelt Joe und bezieht den Leser in eine spannende Geschichte mit ein, welcher sich schwer zu entziehen ist. Die dabei vermittelten Hintergrundinformationen, der Status Quo des Landes, wird den ein oder anderen Leser sicher verwundern.

Wie schon bemerkt, ist Silvija Hinzmann kein Freund von Effekthascherei. Sie arbeitet mit den Erfahrungen, welche sie durch Ihre Tätigkeit als Gerichtsübersetzerin gesammelt, wobei ihr Schreibstil alles andere als nüchtern wirkt. Wie das Coverbild des Romans, welches sie selber fotogarfiert hat, ist tritt die Geschichte langsam ins Licht und weist die Liebe zu ihrer istrischen Heimat auf, ohne verklärt zu wirken.

Fazit: Ein durch und durch gelungener Krimi, welcher einen weiteren weißen Krimifleck von der Landkarte streicht. Nicht verwunderlich, dass Joe Prohaska bald erneut auf Ermittlungstour geht mit „Der Wanderer im Karst“.

Leseempfehlung? Selbstverständlich!

Für wen? Keine Einschränkung.

 
Der Duft des Oleanders – Silvija Hinzmann

Balkan Krimi

Erschienen: 1. Juli 2015 im Wieser Verlag

230 Seiten

Broschiert

ISBN-10: 3990291572

ISBN-13: 978-3990291573

Auch als Kindl Edition zu erhalten.

ASIN: B010Q9UA0E

 

Rezi „Sonne, Strand und Tod“ – Emma Bieling

Sonne, Strand und Tod – Emma Bieling

  

Die Eifel. Weniger Kaffee, kein Stress und keinen Griff mehr zum Glimmstängel, das ist Kriminalhauptkommissarin Luna Maiwalds Plan für den Urlaub mit Tochter Marcia. Ein Anruf und alles ist im Eimer. Urlaub geplatzt. Erholung ade. Tochter sauer.

Am Strand von Rügen wird  ein junges Mädchen mit aufgeschnittener Kehle aufgefunden. Mithilfe ihres bunten Teams und mit Unterstützung des neuen Rechtsmediziners Wolff, versucht Luna sich ein Bild der Tat zu machen. Einheimische und ermittlungstechnische Sackgassen vereinfachen die Aufklärung der Tat nicht. Zudem erwartet die taffe Polizistin auch zu Hause immer wieder die ein oder andere Überraschung, so dass ein Kampf an mehreren Fronten entsteht.

Info vorab: Der Krimi wurde von mir als E-Books gelesen, obwohl ich ein haptischer Leser bin und den Geruch von Papier und das Geräusch von selbigen brauche, wenn ich es umblättere. Letztendlich tut das der Geschichte keinen Abbruch.

                       

Schauen wir uns zunächst unsere Protagonistin Luna einmal an. Sie ist äußerst selbstständig und nicht auf den Mund gefallen, was sie mit ihrem äußeren  Erscheinungsbild unterstreicht. Luna legt sehr großen Wert auf ihr Äußeres, kleidet sich eher in Etui- oder A-Linienkleidern nebst passendem Schuhwerk und verfechtet die These, dass ein Tag ohne einen Hut ist ein unnötiger Tag ist.

Nun zur Geschichte. Mord auf einer Ferieninsel ist erstmal schlecht fürs Geschäft, zumal es sich beim Opfer um ein junges Mädchen handelt. Aufgerieben zwischen heimatlicher Katastrophenfront und einer Ermittlung bar jeden Ansatzes, legt Luna diverse Kilometer auf Rügen zurück, um die eingefahrenen Informationen zu sortieren und diese in Verbindung zur Tat zu setzen. Wie ein gut gekleideter Terrier verfolgt sie unermüdlich Spuren, wertet diese aus, setzt sie in einen logischen Zusammenhang. Dennoch wollen sich die Ermittlungsstücke nicht recht verbinden, zumal noch weitere Taten ans Licht kommen.

Wer jetzt denkt, dass die Autorin Emma Bieling, ihre Kommissarin durch den Krimi hetzen lässt, liegt falsch. Stetig führt sie Personen und Umstände zusammen, vergisst dabei aber nicht, dass auch der Faktor Liebe einen Spannungsbogen bilden kann. Liebe? Richtig gelesen. Luna ist eine Singlefrau und Emma Bieling findet man ursprünglich im ChickLit Segment. Krimi und ChickLit – geht das? Kein leichtes Unterfangen, von der Autorin aber bestens gelöst. Sicher wird es für den üblichen Krimileser manchmal etwas zu rosarot, aber genau das ist es, was den Roman interessant mach. Es muss nicht immer der heruntergekommene, psychisch auf dem Abstellgleis angelnagte, mit Alkohol und Depressionen gezeichnete Kommissar sein. Luna macht ihr Hintergrund, alleinerziehende Singlemutter, sehr viel lebensnaher, als so mancher einer ihrer literarischen Kollegen.

Fazit: Emma Bieling ist eine ausgewogene Mischung aus Krimi und Liebesroman gelungen, welche in meinen Augen viele neue LeserInnen generieren wird. Vom gezeichneten und eher lieblich daherkommenden Buchcover, sollte man sich eher nicht täuschen lassen. Ein klasse Krimierlebnis mit bittersüßer Note.

Leseempfehlung? Ein zweifelfreies JA.

Für wen? Sowohl für Krimifans, als auch für ChickLit Leserinnen mit Mut und Interesse an etwas Neuem.

Sonne, Strand und Tod – Emma Bieling

Rügen (ChickLit) Krimi

Erschienen: 31.08.2015 im Luzifer Verlag

300 Seiten

Broschiert

ISBN-10: 3958350933

ISBN-13: 978-3958350939

Der Roman auch in der Kindl Edition erhältlich

ASIN: B0126KLOI8