„Nur über unsere Leichen“ – Emami, Williams, Chabrol

Nur über unsere Leichen – Emami, Williams, Chabrol

Die Idylle des Weinland Mittelrhein ist gestört. Klara Schönlein ist tot. Dass Klara bereits achtzig Lenze überschritten hat, hält ihre besten Freundinnen Elisabeth und Rosemarie nicht davon ab Zweifel an der Unfalltheorie der Polizei zu hegen. Die Staatsmacht stellt leider wenige bis gar keine Nachforschungen an, so dass die Freundinnen sich selbst an die Ermittlungen machen. Unterstützung erhalten sie, mehr oder weniger freiwillig, aus dem Familien- und Freundeskreis. Somit bildet sich schnell eine neue Organisation: Die W. A. R.. 

Rosemarie zieht mich von der Tür weg. „Lass mal“, sagt sie. „Wir gehen einfach hintenrum, durch den Garten. Klara hat bestimmt wieder nicht ihr Hörgerät angestellt. “Klara liegt genau unter ihrem Balkon. Ihre Beine stehen im weiten Winkel vom Körper ab, ihr Kopf ist völlig verdreht und sie starrt uns aus leeren Augen an. Für Klara muss sich kein Krankenwagen mehr beeilen. 
Es könnte ein Unfall gewesen sein. Könnte, läge dort nicht auch Klaras Lieblingskissen mit dem Hirsch. 
„Da hat jemand nachgeholfen.“

Graue Panther auf der Spur! Elisabeth van Ameln, verwitwete Winzerin, welche am liebsten die alte Kleidung ihres verstorbenen Gatten aufträgt und Rosemarie, ein mehrfach verheiratetes Alt-Blumenkind, wollten es sich eigentlich in ihrem neuen Zuhause, der Seniorenresidenz „Himmelsleiter“ in Klosterley, gemütlich machen. Doch durch den jähen Tod ihrer Freundin Klara tritt das zunächst in den Hintergrund. Für die beiden rüstigen und sehr agilen Damen ist klar – es war Mord. Aber wer hat ein Motiv? Klaras Enkel Peter, der sein Geld in eine Bügeleisensammlung investiert und bisher sein Leben mittels monetärer Zuwendungen seiner Großmutter bestreitet? Die Ladys erkennen schnell, dass sie alleine die Ermittlungen nicht führen können. Glücklicherweise kommen ihnen Elisabeths Neffe Leo unverhofft oder eher ungewollt zur Hilfe. Eigentlich wollte Leo auf dem Weingut seiner Tante seinen „Burnout“ auskurieren. Zugunsten der eindringlichen Fürsprache von Elisabeth und auch dem Erscheinen von Fatima, einer kopftuchtragenden Privatdetektivin, stellt er kurzfristig sein „Leiden“ hinten an. Somit entsteht die W. A. R. – die Wacht Am Rhein!

Sie wissen sich zu helfen, die Damen aus dem Weinland. Dank der Hilfe des Autorenteams Leila Emami, Fenna Williams und Zazie Chabrol. Sie schaffen es in dem 368 Seiten Krimi für kurzweilige Unterhaltung und Spannung zu sorgen. Der Krimi, der in der Gegenwartsform verfasst ist, und dessen Kapitel jeweils aus der Sicht von Elisabeth, Leo oder Monika berichtet, lässt nicht nur die Protagonisten oftmals die falsche Schlüsse ziehen, sondern auch den Leser. Somit entsteht ein stetiger Spannungsbogen, bei dem das Thema Humor nicht zu kurz kommt. Das Autorenteam versetzt nahezu jede Figur diverse Male in völlig absurde Situationen, welche dem Leser mehr als nur ein Schmunzeln entlockt. Im allerbester Screwball-Stil schliddern allen voran natürlich die bodenständigen Elisabeth und deren Hippie-Freundin Rosie, aber auch Leo durch diese Krimikomödie und werfen sich hierbei verbal die Bälle zu. 

„Ich lotse dich zur Praxis“, biete ich Rosie an und fische meine Wanderkarte … aus dem Handschuhfach. „Nicht nötig“, winkt Rosie ab. „Ich war schon mal dort, um mir an der Rezeption eine Preisliste geben zu lassen.“ „Du?“ Ich höre wohl nicht richtig. „Ich verstehe ja, dass du versuchst deinen Körper durch den Inhalt deiner Töpfe und Tiegel und Fläschchen vor dem Altwerden zu bewahren – aber der Wunsch nach einer Optimierung durch einen Schönheitschirurgen wie Graf von Flaschenburg hätte ich dir nun doch nicht zugetraut.“ … „Nein, die Preisliste war nicht für mich“, wiederholt Rosie mit offensichtlichem Vergnügen … „Die war für dich. Ich hatte erwogen, dir zum siebzigsten Geburtstag ein Komplett-Lifting zu schenken, aber als ich ausgerechnet habe, wie viele Sitzungen du für ein sehenswertes Ergebnis brauchen würdest, habe ich mich doch für den Callboy aus Frankfurt entschieden.“ 

Fazit: Nur über unsere Leichenist eine kurzweilige und lesenswerte, mit Humor vollgepackte Krimikomödie, die einen hoffen lässt, im Alter nicht in hornhautgelben Klamotten auf der Terrasse eines Kuchen-Cafés zu sitzen und auf dem Tod zu warten. Die Figuren machen Laune auf mehr von der W. A. R..

Leseempfehlung? Wenn man mehr zu den genannten Figuren und zu Klaus-dem-Gewissen, Schorsch, Miguel und Monika erfahren möchte – unbedingt.



Nur über unsere Leichen – Leila Emami, Fenna Williams, Zazie Chabrol

Krimikomödie

Erschienen am 12. April 2017 im Leinpfad Verlag

368 Seiten

Taschenbuch

ISBN-13: 978-3945782286

Auch in der Kindl Edition erhältlich:




„Blutzucker“ – Leif Tewes

Blutzucker – Leif Tewes
„Mit dem verbliebenen Geld aus der Kriegskasse wird deren neue Therapie für Bauchspeicheldrüsenkrebs bald marktreif. Ausgelastete Zuckerfabriken, treue Diabetiker, teure und langwierige Krebstherapien, was braucht man mehr?“

WorldFood – ein weltweit agierender Lebensmittelkonzern, der genau weiß, wie man sich seine treue Kundschaft heranzieht. Dank Paul Hartmann, ein ziemlich pfiffiger Lebensmittelchemiker, der dem Unternehmen mit seinen Ideen immer wieder zu marktführenden Positionen verhilft. Paul selber bleibt dabei völlig auf der Strecke. Aufstehen – atmen – arbeiten – schlafen. Sein persönlicher Antrieb, seine Vision aufs Leben sind vor Jahren bei der Explosion einer Autobombe mit seiner damaligen Freundin Karin gestorben. Als er auf einer Party die Journalistin Nicole kennenlernt, nimmt sein Leben unvermittelt eine Wende. Die Enthüllungsjournalistin hat sich bereits auf die Lauer gelegt, um dem Weltkonzern WorldFood und deren seltsamen Machenschaften, insbesondere die von  Manager Meininger, welcher Pauls Vorgesetzten ist, das Handwerk zu legen. Meinigner hat im Gegensatz zu Paul eine Vision, nämlich die eines Posten im Aufsichtsrat. Nicole erzeugt in Paul eine neue Vision und dieser lässt sich, zunächst noch zögerlich, auf das Abenteuer mit Nicole und deren vernichtenden Kreuzzug gegen den Lebensmittelkonzern ein.

Parallel ermittelt die Kriminalpolizei in einem Mordfall. Eine Frau wurde erstochen in ihrer Wohnung aufgefunden. Ihre Identität ist nicht einfach auszumachen. Die Kommissare Berg und Landers begeben sich auf die Suche und geraten dabei in Gefahr.

Was hat ganz normaler Zucker mit einem „GRAS“-Stempel zu tun? Wie verquert ist es, dass Coca-Cola und McDonalds Antipositas-Kongresse sponsern? Vermindern kleinere Nahrungsmittel-Verpackungen auch deren Konsum?

Soziale- und auch Nachrichtenmedien kolportieren im Stundentakt neue Informationen über Gut und Böse einzelner Lebensmittel, deren Wirkungen oder auch globale Auswirkungen. Eigentlich sollte der Verbraucher aufmerksam und gut informiert sein. Ist er es wirklich? Sehen wir nicht viele Meldungen als Falschnachrichten oder Verschwörungen an? Kann der Verbraucher überhaupt das Netzwerk, welches sich hinter einem Lebensmittelkonzern verbirgt entwirren?

Blutzucker ist ein intelligenter Roman noir, der sich mit genau dieser Thematik befasst. Sehr detailreich bringt Autor Leif Tewes dem Leser nahe, welchen Stellenwert das Nahrungsmittel Zucker in der Welt hat und welches Unwesen damit nicht nur fiktiv getrieben wird.

Hauptperson Paul Hartmann ist dabei kein Held im eigentlichen Sinne. Kein James Bond, kein MacGyver oder A-Team. Leise und heimlich versucht er, der den Blick in die Zukunft verloren hatte,  mittels seines Wissen und Möglichkeiten, seine Freundin Nicole in ihrem Vorhaben zu unterstützen. Er lebt auf beim Gedanken an das Risiko welches sie eingehen, ohne sich nur annähernd ausmalen zu können, was tatsächlich auf sie zukommen wird. Dabei entwickelt der sonst so konservative Chemiker Ideen, welche ihm zuvor noch Angst eingejagt hätten. Zielsicher richtet er seine Vernichtungsgelüste nicht ausschließlich auf seinen Arbeitgeber, sondern sehr speziell auch auf seinen Vorgesetzten Meininger, der sein Ziel als Aufsichtsratsmitglied noch mehr an Macht, Geld und Einfluss zu gewinnen, in Gefahr sieht und zu allen Mitteln greift, um seinem unbekannten Gegenspieler außer Gefecht zu setzen.

Mit viel psychologischen Fingerspitzengefühl bringt Leif Tewes dem Leser die einzelnen Figuren und deren Leben nahe, lässt ihn in den Politthriller eintauchen und baut einen wohldosierten Spannungsbogen auf, welcher in einem ereignis- und wendungsreichen Showdown endet.

Fazit: Ein sehr intelligenter Roman mit aktuellen, politischen Bezug, der in meinen Augen keine Wünsche offen lässt und noch nach lange nachhallt.

Leseempfehlung? Ein klares Ja.

Blutzucker – Leif Tewes


Krimi


Erschienen am 15. März 2017 im Größenwahn Verlag


250 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3957711320

ISBN-13: 978-3957711328
Auch in der Kindl Edition erhältlich:
ASIN: B06XPYLCKG

 

„Kalter Schuss ins Herz“ – Wallace Stroby

Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby


„Drei Minuten nachdem sie durch den Haupteingang gekommen war, hatte Crissa den Manager und die zwei Angestellten mit dem Gesichtern auf den Boden, die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.“

Sie kommt, räumt ab und verschwindet wieder. Crissa Stone ist Räuberin, Ganovin, Einbrecherin. Keine Femme fatale, kein Herzchen, welches auf High Heels versucht, Männern den Kopf zu verdrehen oder gar eine 130 Kilo Amazone. Crissa ist eher eine hübsche Durchschnittsfrau, die nicht aus der Masse hervorsticht und somit attraktiv-unauffällig wirkt. Sie setzt sich in ihrem „Geschäftsfeld“, einer Männerdomäne, durch. Das geht nicht immer ohne Blessuren ab. Waffen gehören zu ihrem Arbeitsmaterial, dienen zur Abschreckung und weniger dazu Menschen tatsächlich zu verletzen oder zu töten. Um einen guten Bruch zu machen nutzt sie ihr Köpfen. Kann gut abschätzen, ob sich der Einsatz tatsächlich lohnt oder ob zu viele Komplikationen auf sie warten.

Bis zu dieser Sache im Süden. Es schien nicht einfach, aber durchführbar. Etwas läuft aus dem Ruder und unversehens landet Crissa in einer Geschichte aus Rache und Gier, welche sie mit dem Leben bezahlen könnte.


Eine weibliche Räuberin, die nicht mit Reizen punktet. Schurkin, Heldin und Opfer in einer Person. Kein schießwütiges Flintenweib, keine perfekte Kampfsportmaschine, die mit ihrem kleinen Finger mehr Unheil anrichtet, als eine Herde wild gewordener Büffel. Crissa ist eine teamfähige Einzelkämpferin mit Gewissen und einer Schublade voller persönlicher Dämonen, welche sie immer wieder einholen.


„Als Casco sich vorbeugte, sein Gesicht im Safe, setzte Eddie ihm einen Fuß zwischen die Schulterblätter, um ihn dort zu halten und schoss ihm zwei Mal in den Hinterkopf.“


Womit wir bei Crissas Gegenspieler wären. Der heilige Eddie. Ein böser Bube, ohne Gewissen, welcher dem Roman erst richtig Spannung und Tempo gibt. Ihm muss sich Crissa entgegenstellen, will sie nicht ihr Leben verlieren.


„Ich mochte die Idee einer starken, aber verletzlichen Frau, die sich in einer Männerwelt behauptet“, schreibt Wallace Stroby über seine Hauptdarstellerin. Meiner Ansicht nach hat der Autor dieses perfekt getroffen und umgesetzt. Ohne Schnickschnack und Adjektiv-Heischerei bringt Wallace Stroby seine Geschichte auf den Punkt. Personen und Orte sind klar und nicht überzeichnet, so dass die Phantasie des Lesers gefordert wird und er aus den gesetzten Eckpunkten sich selbst, ohne großes Federlesen, eine Vorstellung von dem machen kann, was er gerade liest. Das liegt an Wallace Schreibstil, welcher in bester, klassischer amerikanischer Manier daher kommt. Hard-Boiled nennt sich dieses Genre, in dem die Protagonisten viele Actionreiche Szenen erleben dürfen und selbst die vermeintlich ruhigeren Abschnitte nicht ohne Spannung bleiben.


Die Geschichte ist linear erzählt aus der Perspektive des personalen Erzählers. Somit gibt es keine Rückblicke in die Vergangenheit der Figuren, es sei denn, sie erzählen davon. Der Roman ist, trotz seiner Reminiszenz an Serien wie z.B. 77th Sunset Strip, modern und aktuell, aber eben mit klassischen Motiven wie im Mafiagenre.

Leseempfehlung? Ein ausgesprochener Lesespass mit großer Sogwirkung!


Kalter Schuss ins Herz – Wallace Stroby

Krimi

Erschienen im August 2015 im Pendragon Verlag

352 Seiten

Klappbroschur

ISBN-10: 3865324878

ISBN-13: 978-3865324870

Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B015MRKDSE

Leseprobe: http://www.weiterlesen.de/Leseprobe/Kalter-Schuss-ins-Herz/9783865325167/html

„Nichts bleibt“ – Willi Achten

Nichts bleibt – Willi Achten


„Wenn deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran.“ Robert Capa.
Er ist ein preisgekrönter Kriegsfotograf und hat alles an Grauen gesehen, was es in der Welt gibt. Um seine Seele zu retten oder zu reparieren, zog Franz Mathey schon vor Jahren zu seinem Vater ins Elternhaus, in einen idyllischen Wald, fern von Gewalt. Hier wuchs auch lange sein Sohn auf, der aber nach einem Unfall zur Mutter in die Schweiz zog. Als Matheys Vater Opfer einer Gewalttat wird, sinnt er auf Rache.
Kurz vorweg – dieses Buch ist nichts für sehr feinfühlige Leser. Die Kriegsszenen sind sehr eindrücklich und detailliert beschrieben!
Es ist schwierig den Einstieg in diese Rezension zu finden, da der Roman bei mir sehr viele Eindrücke interlassen hat. Zum einen ist es ein Buch, welches mit seinen Worten fern vom Mainstream, mitunter philosophischen Abschnitten geschrieben wurde. Zum anderen hat es Aspekte eines Schweden-Krimis, welche düster, grau und schwermütig daherkommen.
„Zum Schluss gesellte sich zu ihm die Zeit, die verstrich, ohne dass sie ihn heilte, ohne dass sie ihn in den Tod entlassen wollte. Eine leere vor sich hinlaufende Zeit, eine Zwischenzeit ohne jeden Sinn.“
Der ganze Roman ist ein einziges Hoffen und Bangen, da sich alles um das Thema Verlust dreht. Der Autor Willi Achten lässt seinen Hauptdarsteller selten wirklich lange entspannen und Luft holen. Selbst für den Leser ist das Unheil greifbar.
„Die Spuren zogen von dort hinaus in den Gemüsegarten, dann zum Bach. Die Fußspuren zweier Männer. Ich spürte ein Flimmern im Bauch. Jemand mochte sich verirrt haben. Ich wusste, dass es nicht stimmte. Die Spuren waren noch ganz frisch.“
In seinen Beschreibungen schwenkt Achten im Leben von Manthey oft fließend von der Gegenwart in die Vergangenheit und fordert demzufolge eine erhöhte Aufmerksamkeit ein. Die Gegenwart wird somit durch Ereignisse in der Vergangenheit unterstrichen und Verstärkt.
„Wut ist ein Pervertin in unseren Adern, es löscht die Angst.“
Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil beschreibt Achten, wie Matheys Leben aus dem Ruder gerät, wie seine Welt sukzessiv zusammenbricht, er sich in den Strudel der Rache hineinziehen lässt. Achten fokussiert sich auf die Grundlagen für den Showdown im Teil. Dieser beginnt zunächst entspannt, geradezu erholsam. Mathey zieht sich in die Berge zurück um zum finalen Schlag gegen seine Widersacher auszuholen. Ein Schlag, bei dem er selbst nicht genau weiß, wie er endet.
„Der Schnee schmolz. Der Winter hatte nur kurz gegrüßt. Ich intensivierte mein Training, nutzte die Zeit. Jeden Tag stieg ich 500 Höhenmeter, danach ging ich zu Fred. Er betrieb im Dorf ein Fitnessstudio.“
Fazit: Es sind die Beschreibungen und die Wortgewalt, mit denen mich Willi Achten völlig in seinen Bann gezogen hat und es schwer machten, das Buch aus der Hand zu legen.
Leseempfehlung? Zweifelsohne. Für mich war das Buch aufwühlend und mitreißend. Es fiel mir schwer, es für längere Zeit aus der Hand zu legen.
Für wen?  Krimifans, welche nicht ausschließlich dem Mainstream folgen, werden hier in meinen Augen bestens bedient.
Nichts bleibt – Willi Achten
Krimi
Erschienen 201 im Pendragon Verlag
376 Seiten
Klappbroschur
ISBN-10: 3865325688
ISBN-13: 978-3865325686
Auch in der Kindl-Edition erschienen
ASIN: B01N6XOK1V



„Die Filmerzählerin“ – Hernán Rivera Letelier

Die Filmerzählerin – Hernán Rivera Letelier
Zu Hause waren wir fünf Geschwister. Vier Jungs und ich.

Als mein Vater auf die Idee mit dem Wettbewerb kam, war ich zehn Jahre alt und in der dritten Klasse Grundschule. Seine Idee bestand darin, uns nacheinander ins Kino zu schicken und uns dann den Film erzählen zu lassen. Wer ihn am besten erzählte, würde jedes Mal gehen dürfen, wenn ein guter Film lief

Darf ich vorstellen? Maria Margarita, Tochter eines behinderten Minenarbeiters in der chilenischen Atacama-Wüste. Die Mutter hat sich beizeiten aus dem Staub gemacht, um nicht den Rest ihres jungen Lebens fünf Kinder und einen gelähmten Gatten mittels einer spärlichen Invalidenrente durchzubringen.

Da kein Geld vorhanden ist, dem Vater seine tägliche Weinration zuzugestehen und alle Kinder ins Kino zu schicken, kommt dem Vater die Idee, des Wettbewerbs zum Filmerzähler. Obwohl die jüngste in Bunde, setzt sich Maria Margarita durch und versorgt von nun an, zunächst nur die Familie, dann einige Nachbarn und schlussendlich fast das ganze Dorf mit ihren grandiosen Nacherzählungen der Kinofilme.

Das Buch von Autor Hernán Rivera Letelier ist mir durch Zufall auf einem Flohmarkt in die Hand gefallen. Es ist ein kleines, schmales Buch von etwas mehr als 100 Seiten, was dem Roman keinen Abbruch tut. Letelier versetzt sich in eine Zehnjährige, die selbst über ihr Talent überrascht ist und darin ihre Zukunft sieht. Mit viel Empathie, einer großen Portion Humor und Situationskomik, aber auch Wehmut, darf der Leser dem Leben der Hauptdarstellerin in anschaulicher Weise folgen. Dass der Roman ein wenig dahin plätschert hat mich dabei wenig gestört. Es gibt keinen riesigen Spannungsbogen, keine Schenkelklopfer oder poetischen Meisterleistungen und doch ist es ein eher leises, lesenswertes Buch, welchem nicht an Realismus fehlt. Es bringt einem das Sprachgefühl einer anderen Kultur näher – ein Perspektivwechsel.

Wer sich mit dem Autor Letelier befasst, wird schnell erkennen, dass seine Geschichten nicht reiner fiktiver Natur sind, sondern oftmals seinem Leben entnommen sind. Zum Schreiben kam er aus reiner Not. Ein Radiosender hatte einen Wettbewerb zu einem Gedicht ausgerufen, dessen erster Preis ein Essen in einem teuren Restaurant war. Letelier schrieb ein vierseitiges Liebesgedicht, gewann und ist bis dato kein unbekannter in der spanisch schreibenden Literaturgemeinde.

Fazit: Für mich ein überraschendes Kleinod. Eine Geschichte, die nicht mehr als knapp 100 Seiten braucht um einen in kurzer Zeit in eine weit entfernte, andersartige Welt zu entführen. Eigentlich ein schöner Stoff, um daraus einen Film zu machen, der in Programmkinos seine Fans finden würde.

Leseempfehlung? Ja. Mich hat die der Roman zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Er ist eine perfekte kurze Ablenkung vom lärmenden, hektischen Alltag. Letelier bringt Dinge auf den Punkt, bedient sich dabei einer klaren Sprache ohne viele Schnörkel, aber mit leiser Hintergrundmelodie.

Die Filmerzählerin – Hernán Rivera Letelier

Roman


Erschienen am 21. Februar 2011 im Insel Verlag


104 Seiten


Taschenbuch


ISBN-10: 3458358226

ISBN-13: 978-3458358220


Auch in der Kindl-Edition erschienen

ASIN: B007THNCR0

Leseprobe: